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Where the world comes to study the Bible

9. Die Freude des Johannes und der Neid seiner Jünger (Johannes 3:22-36)

Einleitung

Wie viele von Ihnen auch habe ich die Olympischen Winterspiele im Fernsehen verfolgt. Am meisten interessierte mich das Eiskunstlaufen der Damen, insbesondere die Goldmedaille von Tara Lipinski – weil sie nun mal zufällig aus Texas stammt. Eine Reihe sehr guter und eher favorisierter Wettkampfteilnehmer waren schon vor Tara gelaufen, aber es war klar, dass sie eine Chance auf Gold hatte. Der Druck, der dadurch auf ihr lastete, machte ihren allerletzten Sprung nur umso aufregender. Ich werde niemals ihr Gesicht vergessen, als sie diesen Sprung fehlerlos geschafft hatte. Von einem Moment zum anderen leuchtete ihr Gesicht auf und ihr inzwischen berühmt gewordenes glückstrahlendes Lächeln brach daraus hervor. Sie war sicher, dass sie es geschafft hatte – und sie hatte es geschafft! In diesem Augenblick erfuhr Tara Lipinski das Glück, ihre Mission erfüllt zu haben, und ihre Freude darüber war vollkommen.

Irgendwie habe ich Johannes den Täufer nie als einen glücklichen Menschen betrachtet. Nach seinen ernsthaften Worten, muss ich zugeben, hielt ich Johannes eher für einen Griesgram, für so einen grimmigen, feindseligen Kerl, der gar nicht weiß, wie man lächelt. Einer meiner Freunde sagt immer: „Einem Wachhund fällt es eben schwer zu lächeln.“ Ich denke, ich habe Johannes immer als so einen „Wachhund“ betrachtet. Unser Text aber zwingt mich dazu, meine Meinung über Johannes den Täufer zu überdenken.

Manche Eltern in unserer Gemeinde bringen ihre Kinder mit in die Kirche, wenn sie meiner Predigt zuhören. Und manche dieser jungen Zuhörer zeichnen dann Cartoons für mich über das, was sie aus dem Schrifttext gelernt haben. Ich kann mir vorstellen, was mich von meinen jungen Künstlerfreunden am Ende dieser Ansprache erwartet: Ich werde ein Bild bekommen von Johannes dem Täufer mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. Auf dem Bild werden auch seine Jünger sein – alle mit tief gerunzelter Stirn. Was Johannes überaus große Freude macht, bereitet seinen Jüngern große Sorge, ja sogar Ärger. Wie kann das sein? Was ist da schiefgegangen? Wir werden es bei unserer Betrachtung von Johannes 3:22-36 sehen.

Ist dieserText „am falschen Ort“?

Es ist kaum zu glauben, aber einige Wissenschaftler wollen uns weismachen, dass dieser Textabschnitt falsch platziert sei. Was Leon Morris zu diesem Thema zu sagen hat, gefällt mir:

Es wird oft gesagt, dass Vv. 22-30 nicht an ihrem richtigen Platz stehen. Manche sind dafür, sie hinter 2:12 zu stellen, andere hinter 3:36. Die Argumentation dreht sich im Allgemeinen darum, wie die Verse in den Zusammenhang passen, in dem wir sie vorfinden. Textverschiebungen werden an verschiedenen Stellen dieses Evangeliums vermutet, und zur Unterstützung solcher Theorien wurden mehr oder weniger plausible Argumente vorgebracht. Aber wir müssen immer daran denken, dass die Reihenfolge, die wir für die angemessene halten, nicht notwendigerweise auch die ist, die der Verfasser des Evangeliums annehmen würde. Und in jedem Fall ist es unsere erste Pflicht zu schauen, ob die betreffenden Verse dort in das Evangelium passen, wo sie traditionell stehen. ... Im Falle des vorliegenden Abschnitts bringt die Untersuchung wohl keine solch zwingenden Gründe zutage.166

Ich weise aus gutem Grunde auf diese Tatsache hin. Wer die Reihenfolge des Textes zu ändert sucht, weist sich doch sehr als ein „Sohn des Nikodemus“ aus. Nikodemus kommt als Autoritätsperson zu Jesus und kann doch Dessen Autorität einfach nicht akzeptieren. Er möchte, so scheint es, lieber Jesus seiner eigenen Theologie anpassen, als sich zu Füßen unseres Herrn niederzusetzen und eine neue Theologie zu empfangen. Wer sich selbst als einen Experten ansieht, ist weniger darauf aus zu lernen als zu lehren und zu verbessern. Wir tun besser daran, diesen Text so zu nehmen, wie er ist; und wir sollten uns lieber darum bemühen herauszufinden, was Johannes uns mit diesem Text, so wie er geschrieben steht, sagen will.

Wer spricht in diesem Textabschnitt?

Es besteht Uneinigkeit darüber, ob Johannes der Täufer oder Johannes der Apostel in Vers 31-36 spricht. Vor allem weil die darin enthaltenen Aussagen für den gegebenen Zeitpunkt zu fortgeschritten erscheinen, sind viele Menschen der Meinung, es müsse sich um Anmerkungen des Apostels Johannes handeln. Wie kann Johannes der Täufer zu einem solch frühen Zeitpunkt während des Dienstes Jesu schon diese Dinge wissen? Wir wollen uns aber daran erinnern, dass Johannes der Täufer ein Prophet ist. Seine Worte „Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinweg nimmt!“ (1:29) könnten genauso gut als zu fortgeschritten bezeichnet werden.

Die Gliederung des Textes

Unser Text lässt sich in vier Abschnitte einteilen: (1) Jesus tauft ebenfalls (Vers 22-24), (2) Johannes’ Jünger sind neidisch (Vers 25-26), (3) Johannes’ Glück (Vers 27-30) und (4) die Vorrangstellung unseres Erlösers (Vers31-36).

Es handelt sich um die letzten Worte von Johannes dem Täufer167 im Johannes-Evangelium. Sie passen zu diesem Menschen und machen ihm alle Ehre, und sie sind gleichzeitig sein abschließendes Zeugnis über Jesus als den Christus.

Neben Johannes tauft auch Jesus
(3:22-24)

22 Danach kam Jesus mit seinen Jüngern auf judäisches Gebiet, und dort verbrachte er die Zeit mit ihnen und taufte168. 23 Auch Johannes taufte in Änon in der Nähe von Salim, weil es dort reichlich Wasser gab, und die Menschen kamen dorthin und ließen sich taufen169. 24 (Denn Johannes war noch nicht ins Gefängnis geworfen worden.) (Hervorhebung durch B. Deffinbaugh)

Zuvor waren Jesus und Seine Jünger in der Stadt Jerusalem gewesen, wo Er den Tempel gereinigt (2:13-22), mehrere Wunderzeichen vollbracht (2:23) und mit Nikodemus gesprochen (3:1-21) hatte. Jetzt verlassen sie die Stadt Jerusalem und machen sich auf in ländliches Gebiet170. Dort „verbrachte“ Jesus „die Zeit mit“ Seinen Jüngern. Über diese vier Worte, „verbrachte die Zeit mit“, sollten wir einmal nachdenken, denn sie erinnern uns an einen sehr wichtigen Bestandteil der Jüngerschaft. Die Kirche ist – wie sie es ja auch sein sollte – sehr an Jüngerschaft interessiert. Jesus wird als Modell für das „Jünger-Betreuen“ angesehen, und das zu Recht. Trotzdem machen wir in unseren Programmen für Jünger selten das, was unser Herr eigentlich tat. Vielmehr legen wir die Betonung auf eine Art schulische Belehrung und häufig auf ein durchstrukturiertes Programm mit „Verantwortlichkeiten“ und anderen Kontrollmechanismen. So etwas ist vielleicht auch ganz löblich, aber ich kann doch über die Tatsache nicht hinwegsehen, dass Jesus mit Seinen Jüngern „die Zeit verbrachte“. Ein Jünger unseres Herrn sein bedeutete, „mit Ihm zusammen zu sein“:

13 Und Jesus ging hinauf auf den Berg und rief zu sich, die er wollte, und sie kamen zu ihm. 14 Er berief Zwölfe (die er Apostel nannte), damit sie bei ihm wären und er sie aussenden könnte, um zu predigen 15 und um Vollmacht zu haben, Dämonen auszutreiben (Markus 3:13-15; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh; siehe auch Matthäus 17:1, 26:37; Markus 5:37, 16:10; Lukas 7:11, 8:1, 9:10, 22:14; Johannes 15:27, 17:24; Apostelgeschichte 4:13).

Bei der Jüngerschaft geht es um das Zeugnis, die Verantwortlichkeit und eine Eins-zu-eins-Beziehung mit denen, die zum Glauben an Christus gelangen. Zuallererst und vor allem aber ist ein Jünger jemand, der die Zeit mit seinem Herrn zusammen verbringt. Wir professionellen Diener (die wir unseren Lebensunterhalt durch den Dienst verdienen) verwechseln oft den Zeitaufwand für die Vorbereitung unseres Dienstes mit der Zeit, die wir persönlich mit dem Herrn zusammen verbringen. Die Zeit, die wir mit dem Studium verbringen, sollte eine Zeit der Gemeinschaft und Vertrautheit mit dem Herrn sein, aber wir brauchen auch Zeit, die wir um Seinetwillen und um unserer selbst willen mit Ihm verbringen. Lassen Sie uns also die Tatsache nicht aus den Augen verlieren, dass ein wesentlicher Teil des Umgangs unseres Herrn mit Seinen Jüngern einfach darin bestand, dass Er die Zeit mit ihnen zusammen verbrachte.

Auf dem Land in Judäa taufen die Jünger unseres Herrn die Menschen, die zu ihnen kommen. Zur selben Zeit taufen auch Johannes und seine Jünger171. Man sollte erwarten, dass die Taufe des Johannes immer noch das war, was sie immer gewesen war: Seine Taufe war eine Taufe der Reue in Vorbereitung auf das Kommen des Messias. Die Taufe unseres Herrn – oder, vielmehr, die Taufe, die die Jünger unseres Herrn in Seinem Namen durchführten, – entsprach im Wesentlichen der von Johannes172. Seine Jünger konnten nicht im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes taufen, da unser Herr ja noch nicht gekreuzigt und begraben worden und von den Toten auferstanden war.

In Vers 24 schiebt Johannes dann eine Erläuterung in Klammern ein: „(Denn Johannes war noch nicht ins Gefängnis geworfen worden.)“ Warum sollte der Apostel Johannes diese Feststellung für notwendig halten? In jedem der synoptischen Evangelien beginnt der öffentliche Dienst unseres Herrn nach der Verhaftung von Johannes dem Täufer:

14 Nachdem nun Johannes gefangen gesetzt worden war, ging Jesus nach Galiläa und verkündete das Evangelium Gottes. 15 Er sprach: „Die Zeit ist erfüllt und das Königreich Gottes ist nahe. Tut Buße und glaubt an die gute Botschaft!“ (Markus 1:14-15; siehe auch Matthäus 4:12f.)

Zu diesem späteren Zeitpunkt macht Jesus da weiter, wo Johannes aufgehört hat und verkündet buchstäblich dieselbe Botschaft wie Johannes. Nur im Johannes-Evangelium erfahren wir etwas über eine frühere Zeit, da beide, Johannes und Jesus, gleichzeitig ihren Dienst versahen und beide Gruppen (Johannes und seine Jünger wie auch Jesus und Seine Jünger) buchstäblich zur selben Zeit dasselbe taten (nämlich die Menschen tauften, die zu ihnen kamen).

Johannes möchte seine Leser wissen lassen, dass es diese einmalige, wenn auch sehr kurze, Zeit des gleichzeitigen Dienstes gab, denn sie bildet den Hintergrund für ein vermeintliches Problem, das sich aus dem erfolgreichen Dienst unseres Herrn zu diesem Zeitpunkt ergibt. In unserem Text nimmt, so vermute ich, der Apostel Johannes traurig Abschied von Johannes dem Täufer. Dieser wird später zwar noch erwähnt, doch hier lesen wir zum letzten Mal seine eigenen Worte. Unser Text passt zu diesem großen Menschen und macht ihm alle Ehre. Die Reaktion von Johannes dem Täufer an dieser Stelle ist beispielhaft für Demut und christliches Dienen. Lassen Sie uns also sehr sorgfältig hinhören – nicht nur auf seine Worte, sondern auch auf sein Herz.

Johannes’ Jünger sind irritiert
(3:25-26)

25 Nun kam es aber zu einem Streit zwischen den Jüngern des Johannes und einem Juden über die zeremonielle Waschung. 26 Daher kamen sie zu Johannes und sagten zu ihm: „Rabbi, der Mann, der bei dir war, auf der anderen Seite des Jordans, über den du Zeugnis abgelegt hast – sieh nur, er tauft und jeder geht zu ihm!“

Johannes berichtet uns von einem Wortgefecht zwischen Johannes’ Jüngern und „einem Juden“173, bei dem sie um die zeremonielle Waschung streiten. Wenn dieser Jude vielleicht Vorbehalte gegen die Botschaft und Taufe von Johannes hatte, ist es gut möglich, dass er die jüdischen zeremoniellen Waschungen für wichtiger hielt als die Taufe. Irgendwie scheint sich das Gespräch zu einem Vergleich zwischen Johannes’ und Jesu Taufe verdichtet zu haben. Jedenfalls scheint der Streit mit diesem Juden Johannes’ Jünger dazu veranlasst zu haben, mit ihren Bedenken bezüglich Jesus zu Johannes zu kommen.

Was bei diesem Streit eigentlich gesagt wurde, erfahren wir nicht. Erlauben Sie mir um der Veranschaulichung und Erklärung willen, ein mögliches Szenario zu entwerfen: Johannes’ Jünger treffen auf einen Juden und fragen ihn, ob er getauft werden möchte. Er erwidert, dass er daran kein Interesse hat; er ist davon überzeugt, dass die jüdischen zeremoniellen Waschungen wirkungsvoller sind. Die Jünger geben sich damit nicht zufrieden und beginnen mit ihm zu debattieren. Als der Jude merkt, dass er so nicht weiterkommt, „schlägt er dem Fass den Boden aus“ und sagt so etwas wie: „Wieso seid ihr überhaupt so dogmatisch? Wisst ihr nicht, dass Jesus genauso tauft wie ihr und dass zu Ihm viel mehr Leute gehen als zu euch? Da gebt es doch lieber gleich auf!“

Die Jünger kommen zurück zu Johannes und sind frustriert und empört, aber nicht über den Juden, sondern über Jesus. Sie sind irritiert darüber, dass Jesus und Seine Jünger erfolgreicher sind als sie selbst. Tatsächlich scheinen sie sogar über Johannes den Täufer selbst verärgert zu sein, darüber, dass er gar nichts unternommen hat, um diese Situation zu bereinigen. Hören Sie den Ärger und die Frustration in den Worten an ihren „Meister“:

„Rabbi, der Mann, der bei dir war, auf der anderen Seite des Jordans, über den du Zeugnis abgelegt hast – sieh nur, er tauft und jeder geht zu ihm!“

Die Worte der Jünger sind verräterisch. Achten Sie einmal darauf, wie die Jünger von Jesus sprechen. Sie nennen Ihn nicht mit Namen (Jesus) und bezeichnen Ihn auch nicht als den Messias, obwohl das genau die Art ist, in der Johannes von Ihm spricht. Sie nennen Jesus „der Mann, der bei dir war, ... der, über den du Zeugnis abgelegt hast“. Ich glaube, das tun sie, weil sie Jesus allmählich wirklich übelnehmen, wer Er ist. Sein Erfolg hat ja mit Seiner Identität zu tun. Wenn sie also auf Seinen Erfolg neidisch sind, sind sie auch über Seine Identität nicht so begeistert, wie sie es eigentlich sein sollten. Und sie wollen Jesus auch nicht so leidenschaftlich als den Messias anerkennen, wie es Johannes tut. Johannes bezieht sich auf Jesus, er verleiht Jesus Glaubhaftigkeit. Und, noch schlimmer aus ihrer Sicht, er legt Zeugnis ab über Jesus (beachten Sie, dass die Jünger nicht erwähnen, was Johannes bezeugt hat). Jetzt beklagen sie sich, dass „jeder zu ihm geht“.

Beachten Sie, wie sehr diese Worte denen der Pharisäer ähneln:

17 Und die Menge, die dabei gewesen war, als er Lazarus aus dem Grab gerufen und von den Toten auferweckt hatte, legte fortwährend über ihn Zeugnis ab. 18 Daher ging ihm auch das Volk entgegen, weil sie hörten, dass er dieses Wunderzeichen vollbracht hatte. 19 Da sagten die Pharisäer zueinander: „Seht ihr, ihr könnt gar nichts machen. Seht nur, alle Welt läuft ihm nach!“ (Johannes 12:17-19; Hervorhebung durch B. Deffinbaugh)

Das erinnert auch an die folgenden Worte aus dem Buch Numeri:

26 Zwei Männer aber waren im Lager geblieben: der eine hieß Eldad, der andere Medad. Und der Geist ruhte auf ihnen. Sie gehörten zu denen, die aufgeschrieben worden, aber nicht zur Stiftshütte hinausgegangen waren; doch sie prophezeiten im Lager. 27 Und ein junger Mann lief hin und berichtete es Mose und sagte: „Eldad und Medad prophezeien im Lager.“ 28 Da antwortete Josua, der Sohn des Nun, der Moses Diener war, und sagte: „Mose, mein Herr, untersage ihnen das!“ 29 Da sagte Mose zu ihm: „Bist du eifersüchtig um meinetwillen? Ach, dass doch alle im Volk des Herrn Propheten wären und der Herr Seinen Geist auf sie legte!“ (Numeri 11:26-29, NKJV)

Damit man nicht auf die Idee kommt, dass Johannes’ Jünger eine Ausnahme dargestellt hätten, möchte ich hier doch die These aufstellen, dass ihre Denkart buchstäblich dieselbe war wie die der Jünger unseres Herrn. Die Jünger unseres Herrn eifern um Jesu Erfolg. Sie sehen es nicht gerne, wenn andere den gleichen Dienst verrichten wollen wie sie selbst (siehe Markus 9:38; Lukas 9:49). Sie fürchten den Gedanken an Misserfolg und Leiden (Matthäus 16:21-22). In den Evangelien sind Johannes’ Jünger und die Jünger unseres Herrn nur um ihrer selbst willen dabei – bis sie lernen, was es heißt, sein Kreuz auf sich zu nehmen. Deshalb sind Johannes’ Jünger entrüstet, dass Johannes es zu dieser Situation hat kommen lassen. Ihnen gefällt es nicht, dass Jesus jetzt genauso tauft wie sie, nur mit mehr Erfolg. Sie sehen für sich selbst und für ihren eigenen Dienstauftrag das Ende nahen. Dabei ist das ja genau das, was Gott beabsichtigt hat.

Daraus ergibt sich eine interessante Frage: Warum verlassen Johannes’ Jünger – die, die ihn hier plagen – Johannes nicht und folgen Jesus nach? Warum bleiben sie weiterhin bei Johannes? Was erwarten sie in Bezug auf die Zukunft? Johannes’ Dienstauftrag war es, den Messias einzuführen. Das hat er getan und seine Mission ist damit erfüllt. Johannes’ Jünger benehmen sich, als wäre Johannes selbst der Messias. Sie scheinen zu glauben, dass ihre Mission und ihr Dienst endlos weitergehen wird. Gemessen an den weitläufigen Auswirkungen von Johannes’ Lehren (z.B. Apostelgeschichte 19) haben sie vielleicht schon eine ganze Weile daran gearbeitet. Aber jetzt betrachten sie Jesus als Konkurrenz statt als die Kulmination ihres Dienstauftrages. Keiner dieser Männer scheint die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass er Johannes verlassen und sich Jesus anschließen könnte, so wie es die ersten beiden Jünger von Johannes getan haben174. Haben sie gemeinsame Sache mit Johannes gemacht, dass sie jetzt nicht sehen wollen, was auf ihn und auf sie selbst zukommt? Es scheint so. Kein schönes Bild, was der Apostel Johannes hier für uns entwirft – aber sicher ein lebensechtes.

In Anbetracht der Einstellung von Johannes’ Jüngern kann man verstehen, warum es notwendig war,dass Johannes gefangengesetzt und dann von Herodes enthauptet wurde. Aber selbst dann wundert man sich noch, wie lange Johannes’ Jünger brauchten, um aufzugeben und anzufangen, Christus zu predigen.

Das Herz eines Dienenden
(3:27-30)

27 Johannes erwiderte: „Kein Mensch erhält irgendetwas, was ihm nicht vom Himmel her gegeben wurde. 28 Ihr selbst seid Zeugen, dass ich gesagt habe: ‚Ich bin nicht der Christus’, und statt dessen: ‚Ich wurde vor ihm her gesandt’. 29 Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam. Der Freund des Bräutigams aber, der daneben steht und ihm zuhört, freut sich sehr, wenn er die Stimme des Bräutigams hört. Und das ist meine Freude, die nun vollkommen geworden ist. 30 Er muss an Bedeutung zunehmen, während ich an Bedeutung abnehme.“

Wenn Johannes der Täufer ein Teamcoach wäre, wüsste ich genau, was er in dieser Situation zu „seinen Leuten“ sagen würde: „Leute, es ist an der Zeit, dass wir uns auf das Wesentliche besinnen.“ Ein Coach muss sein Team ständig „an das Wesentliche“ erinnern. Auch ein Prediger muss das (Römer 15:15; 1. Korinther 4:17; 2. Timotheus 1:6, 2:14; Titus 3:1; 2. Petrus 1:12; Judas 1:5). Und Johannes schickt sich ebenfalls an, das zu tun. In Vers 27 erinnert er seine Jünger daran, worum sein Dienst sich eigentlich im Wesentlichen dreht, und er erinnert sie auch an ihren eigenen Dienstauftrag.

Johannes’ Dienstauftrag ist ein Auftrag, den er von Gott erhalten hatte. Sein gottgegebener Dienst bestand nicht darin, der Messias zu sein, sondern den Messias einzuführen. Er war der Vorläufer und Jesus war die Erfüllung, das große Finale. Johannes veranschaulicht seine Aussage am Beispiel einer Heirat. Jesus ist der „Bräutigam“, Johannes ist der „Freund des Bräutigams“. Der „Freund des Bräutigams“ ist nicht verstimmt, wenn der „Bräutigam“ bei der Hochzeitsfeier erscheint, um seine Braut zu sich zu nehmen, sondern er ist in Hochstimmung. Die Aufgabe des Freundes besteht darin, die Braut und den Bräutigam zusammenzubringen. Wenn er die Stimme des Bräutigams hört, weiß der Freund, dass seine Aufgabe erfüllt ist, und er kann sich darüber freuen, dass er seine Mission vollendet hat. Er kann sich darüber freuen, dass die Braut und der Bräutigam nun als Ehepaar vereint sind175.

Vers 30 projiziert dieses Prinzip und diese Tatsache weiter in die Zunkunft. Johannes’ Jünger sind, so wie die Dinge im Moment liegen, unzufrieden. Aber Johannes sagt ihnen, dass es noch viel „schlimmer“ (aus ihrer Sicht der Dinge) kommen wird. Johannes sagt, sozusagen: „Wartet nur ab, es geht noch weiter. Wenn ihr glaubt, dass Jesu Erfolg schon an seinem Höhepunkt angelangt ist und dass meine Erniedrigung aufhört, dann irrt ihr euch.“ Wir sehen also noch ein weiteres Grundprinzip:

„Er muss an Bedeutung zunehmen, während ich an Bedeutung abnehme“176 (Vers 30).

Jesus muss die herausragende Stellung einnehmen, während Johannes allmählich aus dem Bild entschwindet. Ganz wesentlich ist das muss in Vers 30. Johannes zeigt hier tiefe Demut, das ist wahr, aber er sagt auch, dass es so, wie es kommen wird, kommen „muss“ – weil es so dem Plan und der Absicht des souveränen Gottes entspricht. In Vers 31-36 wird dann im Einzelnen aufgeführt, in welcher Hinsicht Jesus Vorrang vor Johannes hat.

Die Überlegenheit Christi
(3:31-36)

31 „Der177 von oben kommt, ist höher als alle. Der von der Erde ist, gehört zur Erde und spricht über irdische Dinge. Der vom Himmel kommt, ist höher als alle. 32 Er legt Zeugnis ab über das, was er gesehen und gehört hat, und niemand nimmt sein Zeugnis an. 33 Der aber sein Zeugnis angenommen hat, hat unzweifelhaft bestätigt, dass Gott wahrhaftig ist. 34 Denn der, den Gott gesandt hat, redet die Worte Gottes; denn er gibt den Geist nicht zurückhaltend. 35 Der Vater liebt den Sohn und hat alle Dinge seiner Autorität unterstellt. 36 Der an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben. Der den Sohn abweist, wird das Leben nicht sehen, sondern Gottes Zorn wird auf ihm bleiben (Hervorhebungen durch B. Deffinbaugh).

Johannes der Täufer geht hier daran, die Vorrangstellung von Jesus Christus zu belegen und zu zeigen, wie ungeheuer überlegen Christus ihm selber ist. Johannes hängt seine gesamte Argumentation an einigen wesentlichen Voraussetzungen auf. Erstens, so sagt uns Johannes, ist Jesus Christus ihm um Seiner Herkunft willen überlegen. Jesus ist „von oben“ gekommen, „vom Himmel“178. Jesus ist „von oben“, Johannes „von der Erde“.

Zweitens ist Jesus Johannes überlegen in Bezug auf das, worüber Er spricht. Da Jesus „von oben“ stammt, spricht Er von den „himmlischen Dingen“, die Er im Himmel gesehen und gehört hat. Johannes stammt „von der Erde“ und spricht daher über „irdische Dinge“ 179. Es klingt respektlos, aber es gibt eine Redensart, die da lautet: „I got this right from the horse’s mouth“ [wörtlich: „ich habe das direkt aus dem Mund des Pferdes gehört“; im übertragenen Sinne: „ich habe das aus erster Hand“; Anm. d. Ü.]. Das ist es, was Johannes in Bezug auf Jesus und Seine Worte sagt. Gleichzeitig macht Johannes allerdings auf die erstaunliche Tatsache aufmerksam, dass Jesus zwar göttliche Wahrheiten redet, aber „niemand sein Zeugnis annimmt“ (Vers 32).

Drittens spricht Jesus als Der, der den Geist Gottes in reichstem Maße besitzt. Jesus ist voll autorisiert, für Gott zu sprechen, ja, Jesus spricht sogar als Gott. Er alleine hat den Geist in unbegrenztem Maße. Er ist Derjenige, der durch den Heiligen Geist ermächtigt spricht. Sie erinnern sich vielleicht, dass es genau das war, wodurch Sich Jesus von allen anderen im Lande abhob. Der Messias würde Derjenige sein, „auf den er den Geist herabkommen und auf ihm bleiben sähe“ (Johannes 1:33-34). Nicht Johannes sollte im Rampenlicht stehen, sondern Jesus. Niemand weiß das besser als Johannes selbst, und so sagt er es auch seinen Jüngern.

Viertens wird Jesus in einmaliger Weise von Seinem Vater im Himmel geliebt und Ihm wurde die ganze Autorität des Vaters verliehen (Vers 35). Der Vater liebt den Sohn, und alle Dinge sind Seiner Autorität unterworfen worden. Höher als das kann man einfach nicht aufsteigen. Wer ist denn schon Johannes im Vergleich zu dem Sohn? Warum sollten seine Jünger ihn gegen Jesus verteidigen wollen, wenn er doch Dessen Diener ist?

Und schließlich ist Jesus Derjenige, auf dem das Schicksal jedes einzelnen Menschen ruht. Jesus ist der Schlüssel zu unserem Schicksal. Die Antwort auf eine einzige Frage entscheidet darüber, wo wir die Ewigkeit verbringen werden: „Wer ist Jesus Christus, und was hast du mit Seinem Anspruch angefangen, dass Er Gottes einzigen Weg zu deiner Erlösung darstellt?“ Wer Sein Zeugnis akzeptiert, erklärt damit, dass „Gott wahrhaftig ist“ (Vers 33). Die Worte unseres Herrn aber anzufechten, der doch für den Vater spricht, bedeutet, Gott der Lüge zu bezichtigen. An den Sohn zu glauben heißt, ewiges Leben zu haben. Wer aber den Sohn zurückweist, wird das Leben nicht sehen, ja, Gottes Zorn wird auf ihm bleiben (Vers 36).

Schlussfolgerung

Die wichtigste Frage, die ein Mensch stellen und beantworten kann, ist: „Wer ist Jesus Christus?“ Die Antwort darauf ist der Schlüssel zu allem. Sie ist der Schlüssel zum ewigen Schicksal eines Menschen. Sie ist der Schlüssel zum Auftrag und Dienst eines Menschen. Sie ist der Schlüssel zum Evangelium selbst. Ist es also verwunderlich, dass die Wahrheiten, die Johannes der Täufer hier aussagt, dieselben sind, die auch der Apostel Johannes in seinem Evangelium hervorhebt? Ist es verwunderlich, dass es eben diese Wahrheiten sind, die von ungläubigen „Wissenschaftlern“ am meisten angefochten werden?

Der Anspruch, den Jesus erhebt, den Johannes der Täufer hier bestätigt und den zu verkünden das Johannes-Evangeliumg geschrieben wurde, findet sich überall, wohin man auch sieht, im Neuen Testament. Nirgendwo in der Bibel ist aber wohl die Stoßrichtung unseres Textes deutlicher ausgedrückt als im Hebräerbrief:

1 Nachdem Gott zu unseren Vorfahren vor langer Zeit in verschiedenen Teilen und verschiedenen Arten durch die Propheten sprach, 2 hat er nun zu uns in diesen letzten Tagen in einem Sohn gesprochen, den er zum Erben aller Dinge eingesetzt hat und durch den er die Welt erschaffen hat. 3 Der Sohn ist der Glanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens und erhält alle Dinge durch sein mächtiges Wort. Und so setzte er sich zur Rechten des Erhabenen in der Höhe, nachdem er die Reinigung von den Sünden vollbracht hatte, 4 und wurde um so viel besser als die Engel, als er einen Namen geerbt hat, der vorzüglicher ist als der ihre.

5 Denn zu welchem der Engel hat Gott je gesagt: „Du bist mein Sohn! Heute bin ich dein Vater geworden“? Und an anderer Stelle spricht er: „Ich werde sein Vater sein, und er wird mein Sohn sein.“ 6 Und wiederum, wenn er seinen Erstgeborenen in die Welt bringt, spricht er: „Alle Engel Gottes sollen ihn anbeten.“ 7 Und von den Engeln sagt er: „Er macht seine Engel zu Geistern und seine Diener zu einer Feuerflamme“, 8 aber von dem Sohn:

„Dein Thron, o Gott, ist für alle Zeit,
ein gerechtes Szepter ist das Szepter deines Königreichs.

9 Du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst. Darum hat dich Gott, dein Gott, mit dem Öl der Freude gesalbt über deine Gefährten.“

10 Und:

„Du, Herr, hast im Anfang die Erde begründet, und die Himmel sind das Werk deiner Hände.
11 Sie werden vergehen, du aber wirst bleiben.
Und sie alle werden alt werden wie ein Kleidungsstück,

12 und wie ein Kleid wirst du sie zusammenfalten,
und wie ein Kleidungsstück werden sie gewechselt werden;
du aber bleibst derselbe und deine Zeit wird nie ablaufen.“

13 Zu welchem der Engel aber hat er je gesagt: „Setze dich zu meiner Rechten, bis dass ich deine Feinde als Schemel unter deine Füße lege.“ 14 Sind sie nicht alle dienstbare Geister, ausgesandt, denen zu dienen, die die Erlösung erben werden?

1 Darum müssen wir den Dingen, die wir gehört haben, umso mehr Aufmerksamkeit schenken, damit wir nicht abgleiten. 2 Denn wenn sich die von den Engeln gesprochene Botschaft als so unumstößlich erwies, dass jeder Verstoß oder Ungehorsam dagegen seine gerechte Strafe empfing, 3 wie wollen wir dann entrinnen, wenn wir eine solch großartige Errettung missachten? Sie wurde zuerst mitgeteilt durch den Herrn und uns dann von denen bestätigt, die ihn gehört haben, 4 wobei Gott ihr Zeugnis mit Zeichen und Wundern bestätigte und mit mancherlei Wundern und Gaben des Heiligen Geistes nach seinem Willen (Hebräer 1:1-2:4).

Glaubst du, was Johannes der Täufer über unseren Herrn gesagt hat? Wenn Jesus Christus Der ist, den die alten Propheten prophezeiten, wenn Er Der ist, der Er Selbst behauptete zu sein und für den die Apostel ihr Leben hingaben, um zu bekennen, wer Er ist – was hast du dann in Seinem Sinne getan? Er beansprucht nicht nur, von Gott gekommen zu sein, sondern auch, Gott zu sein. Er beansprucht, gesandt worden zu sein, um die Strafe für unsere Sünden zu tragen. Er beansprucht, der einzige Weg zu sein, auf dem man in den Himmel kommen kann. Hast du deine Sündigkeit schon bekannt und das Geschenk der Sündenvergebung und die Gewissheit ewigen Lebens durch Ihn empfangen? Wenn nicht, dann bitte ich dich dringend, noch einmal darüber nachzudenken, wer Jesus Christus ist. Wenn ja, dann bitte ich dich dringend, immerzu daran zu denken, wer Er ist. Das ist es, was den Dienst und die Denkart von Johannes formte – und das ist es, was seine Jünger nicht begriffen.

Wenn ich diesen Text lese, beeindruckt mich Johannes’ Freude wie auch der Neid seiner Jünger. Johannes’ Freude kommt daher, dass er Jesus Christus kennt – und dass er sein Verhältnis zu Ihm richtig beurteilt. Johannes verstand, dass sein Dienst, der Moment, da er im Rampenlicht stand, und auch seine abnehmende Berühmtheit allesamt Teil von Gottes souveränem Plan und Absicht waren. Johannes’ Anliegen war es, Christus groß zu machen, und nicht für sich selbst, seinen Dienst oder seine Jünger Werbung zu machen. In diesem Anliegen fand Johannes seine große Freude. Er ging selbst auf im Dienst für Ihn, der der Größte von allen ist. Ob durch sein Leben oder durch seinen Tod – sein Auftrag war es, Christus zu erhöhen. In dieser Hinsicht klingt Johannes der Täufer genau wie der Apostel Paulus (in Philipper 1) und all die anderen Apostel.

Im Gegensatz zu Johannes und seiner Freude sehen wir die Eifersucht und Frustration seiner Jünger. Wie ist das zu erklären? Was ist hier schiefgelaufen? Ich möchte gleich zu Anfang einmal sagen, dass genau diese „Säuerlichkeit“ viele Christen und deren Dienst für den Herrn auszuzeichnen scheint. Wie schnell und wie leicht verlieren wir Christi Vorrangstellung aus den Augen und beginnen, nur an unsere eigene Stellung und unser eigenes Vergnügen zu denken. Ist es nicht genau das, was auch die Jünger unseres Herrn auszeichnet? Sind sie nicht nur deshalb daran interessiert, Werbung für Christus zu machen, damit es ihnen gemeinsam mit Ihm gut geht? Ist das nicht auch der Grund für ihre heftigen Reaktionen, wenn Er über Sein eigenes Zurückgewiesenwerden, Sein Leiden und Seinen Tod spricht? Sie dienen Gott aus eigennützigen Gründen.

Allzu oft höre ich Christen über ihren Dienst in Begriffen wie „Erfolg“ sprechen, und das ist problematisch. Auch ist zu oft von „Selbstverwirklichung“ die Rede. Ist das etwa, was uns zu unserem Dienst motiviert? Ein Freund schickte mir diese Woche eine E-mail, die sich direkt auf unseren Text und auf das, was wir daraus lernen können, zu beziehen scheint:

Lieber Bob, ich habe gerade deinen obigen Entwurf und Kommentar fertig gelesen. Wäre ja liebend gerne als Zuhörer dabei gewesen und wollte dir nur schnell etwas weitergeben, was du wahrscheinlich schon gelesen hast, von Enoch Coppin aus Neuseeland. Auf Seite 5 in seinem kleinen Buch The Any-Moment Coming of Christ [Christus kommt jeden Moment] steht die Aussage: „Die Hoffnung der Kirche ist der Bräutigam; aus dem einfachen Grunde, dass die Kirche die Braut Christi ist. Die Kirche als Ganzes hat eine Hoffnung, und die einzelnen Jünger, die die Kirche bilden, haben eine andere. So kommt die Zeit, da die Erscheinung Christi stattfinden wird; und ich persönlich muss sagen, dass der größte Wunsch, den ein Christ heutzutage haben kann, nicht seine eigene Genugtuung ist, wenn er aus der Welt herausgenommen wird – wie es ihm sicherlich geschehen wird, sofern er zu diesem Zeitpunkt am Leben ist –, sondern dass sein Meister, dem er alles Gegenwärtige und alles Ewige verdankt, der von einer Welt voller Sünder abgelehnt worden ist, der gekreuzigt und der Schande am grausamen Kreuz von Golgatha ausgesetzt wurde, schließlich vor der Welt gerechtfertigt werden wird. So wird es sein am Tage der Manifestation, denn das ist es, was geschehen wird, wenn Er so kommt, wie Er ja manifestiert werden wird (2. Thess. 2:10), und darin liegt die wahre Hoffnung der Jünger selbst in unserem Zeitalter.“ Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, den viele Gläubige heutzutage übersehen. Die meisten sprechen über die Wiederkunft Christi und wie schön es sein wird, wenn all die Leiden vorbei sind, und sie vergessen dabei, dass Gott eine Absicht hat: Seinen Sohn Jesus Christus zu verherrlichen. Mir geht es selber so, dass ich mir manchmal aus reinem Egoismus wünsche, es wäre alles vorbei und ich lebte in der ewigen Freude des reinen Königreiches180.

Ist das vielleicht der Grund dafür, dass Ihre und meine Freude nicht die von Johannes dem Täufer ist? Dienen wir unserem Herrn aus Eigennutz? Jesus ruft uns auf, „unser Kreuz auf uns zu nehmen“. Gott zu dienen, dient unserem eigenen Interesse; aber wenn wir die Verherrlichung Christi übelnehmen, weil sie auf unsere Kosten und zu unseren Lasten zu gehen scheint, dann sind wir schon genauso geworden wie Johannes’ Jünger. Wenn das der Fall ist, sollten wir unsere Sünden bereuen und Gott darum bitten, dass Er in uns die Freude über unsere Erlösung wiederherstellt.

12 Ich möchte euch wissen lassen, Brüder und Schwestern, dass meine Lage jetzt tatsächlich zur Förderung des Evangeliums ausschlägt. 13 Denn die gesamte kaiserliche Wache und alle anderen auch haben erfahren, dass ich um Christi willen im Gefängnis bin; 14 und sehr viele Brüder, die wegen meiner Gefangenschaft Zuversicht im Herrn gewonnen haben, wagen nun furchtloser als je zuvor das Wort zu reden. 15 Einige predigen Christus zwar auch aus Neid und Rivalität heraus, andere aber aus gutem Willen. 16 Die Letzteren tun es aus Liebe, weil sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums hierhergestellt worden bin. 17 Die Ersteren dagegen verkünden Christus aus eigennützigen Bestrebungen heraus und nicht aufrichtig, denn sie denken, dass sie mir in meiner Gefangenschaft damit Schwierigkeiten bereiten könnten. 18 Was ist die Folge davon? Doch nur, dass auf jede Weise, sei es zum Vorwand oder in Wahrheit, Christus verkündet wird, und darüber freue ich mich. Ja, und ich werde mich auch weiterhin freuen, 19 denn ich weiß, dass dies zu meiner Rettung ausschlagen wird durch eure Gebete und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi. 20 Es ist meine Hoffnung und Zuversicht, dass ich in keiner Weise in Schande geraten werde, sondern dass mit vollkommenem Freimut selbst jetzt, wie allezeit, Christus in meinem Leib verherrlicht werde, sei es durch Leben oder durch Tod. 21 Denn Leben bedeutet für mich Christus und Sterben Gewinn. 22 Wenn ich nun weiterhin im Leibe leben soll, so wird das fruchtbare Arbeit für mich bedeuten; und doch weiß ich nicht, was mir lieber ist: 23 Ich fühle mich hin- und hergerissen zwischen beidem; denn ich sehne mich danach zu verscheiden und bei Christus zu sein, was bei Weitem das Bessere ist, 24 doch um euretwillen ist es nötiger, dass ich im Leibe bleibe. 25 Und da ich mir dessen sicher bin, weiß ich, dass ich bei und mit euch allen bleiben und ausharren werde, zu eurem Fortschritt und eurer Freude im Glauben, 26 damit euer Rühmen in Christus Jesus meinetwegen und weil ich zu euch zurückkehre, überquellen möge (Philipper 1:12-26).


166 Leon Morris, The Gospel According to John [Das Evangelium nach Johannes], (Grand Rapids: Wm.B. Eerdmans Publishing Co., 1971), S. 235-236.

167 Johannes der Täufer wird später (5:33, 10:40-41) zwar noch erwähnt, aber im Wesentlichen verabschiedet er sich an dieser Stelle. Das Johannes-Evangelium gibt uns weder einen Bericht über seinen Tod (siehe Matthäus 14:1-12; Markus 6:14-29; Lukas 9:9) noch über seine Zweifel (siehe Matthäus 11:2-6; Lukas 7:18-23).

168 Es handelt sich hier um die erste und einzige Erwähnung der Tatsache, dass unser Herr oder Seine Jünger tauften.

169 „Die Zeitform der letzteren beiden Verben ist fortlaufend, was man mit ‚kamen ständig und ließen sich taufen’ wiedergeben könnte.“ Morris, S. 237.

170 Jesus scheint sich hier für mehrere Monate niedergelassen zu haben. Hendriksen vertritt die Theorie, dass unser Herr von Mai bis Dezember 27 n.Chr. dort blieb. William Hendriksen, Exposition of the Gospel According to John [Entwurf des Evangeliums nach Johannes], 2 Bd. (Grand Rapids: Baker Book House, 1953-1954), Bd. 1, S. 146.

171 Es ist nicht bekannt, wo genau Änon lag und wo Jesus taufte.

172 Morris schreibt: „In keinem anderen Evangelium als in diesem lesen wir davon, dass Jesus getauft hat; und in 4:2 erfahren wir, dass der eigentliche Taufakt von den Jüngern durchgeführt wurde und nicht von Jesus persönlich. Man kann sich das schwerlich als eine christliche Taufe im späteren Sinne vorstellen. Eher war es wahrscheinlich die Fortsetzung der ‚Taufe der Reue’, wie sie für Johannes den Täufer charakteristisch war.“ Morris, S. 237.

173 In manchen Manuskripten steht hier der Plural. Aber es spielt wohl wirklich keine Rolle, ob mit einem Juden oder mit mehreren gestritten wurde.

174 Wenn der Apostel Johannes der zweite Jünger von Johannes dem Täufer war, der Jesus nachfolgte – stellen Sie sich vor, wie er sich dann gefühlt haben muss, als er diesen Bericht schrieb und ihm bewusst wurde, dass er das selbst hätte sein können und dass es seine früheren Kameraden waren, deren selbstsüchtige Einstellung er hier entlarvte.

175 Es ist eindeutig möglich und kaum auszuschließen, dass das Johannes-Evangelium hier eine doppelte Bedeutung hat, insofern als ja Israel als die „Braut“ Gottes dargestellt wird (Jesaja 62:4-5; Jeremia 2:2; Hosea 2:19; Hesekiel 16; Malachi 2:11. Siehe auch Matthäus 22:1ff., 25:1ff.; Epheser 5:32; 2. Korinther 11:2; Offenbarung 19, 21:2,9, 22:17.).

176 Ich würde vielleicht stattdessen eher sagen: „Er muss berühmter werden, und ich weniger berühmt.“

177 Beachten Sie, wie Johannes hier den Ausdruck „Der...“ gebraucht. Zuerst benutzt er ihn, um Jesus und Johannes einander gegenüber zu stellen. Dann gebraucht er ihn, um diejenigen, die an Jesus glauben, denen gegenüber zu stellen, die das nicht tun.

178 „Ungefähr vierzig Mal wird im Evangelium durch Johannes von Christus gesagt, dass er vom Himmel gesandt wurde oder dass er zum Himmel zurückkehre.“ John G. Mitchell, mit Dick Bohrer, An Everlasting Love: A Devotional Study of the Gospel of John [Eine Liebe für immer: Eine andächtige Studie über das Johannes-Evangelium], (Portland: Multnomah Press, 1982), S. 63.

179 In Johannes 3:12 beansprucht Jesus die Fähigkeit, sowohl über „irdische Dinge“ als auch über „himmlische Dinge“ zu sprechen. Johannes beansprucht nur die Fähigkeit, über „irdische Dinge“ zu reden.

180 Diese E-mail kam von meinem Freund Dick Plowman. Dick und seine Frau Beth waren Mitglieder unserer Gemeinde, bevor sie nach Waco, Texas, zogen. Dick und ich versahen zusammen den Predigtdienst im Gefängnis, was er jetzt auch weiterhin im Rahmen der Bill Glass Ministries tut.

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