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Where the world comes to study the Bible

5. Das erste Wunderzeichen: Jesus verwandelt Wasser in Wein (Johannes 2:1-11)

Einleitung

Meine Frau und ich wissen, wie es ist, wenn man mit wenig Geld heiratet. Als wir uns verlobten, legten Jeannette und ich zusammen, um ihren Verlobungsring kaufen zu können. Als wir heirateten, mussten wir einen der Schecks, die wir als Hochzeitsgeschenk erhielten, gleich einlösen, um unser Zimmer für die Nacht zu bezahlen. Die zweite Nacht unserer Flitterwochen verbrachten wir auf dem Wohnzimmersofa im Haus der Eltern meines früheren Zimmergenossen in Eastern Washington. Falls Sie das schon schrecklich finden: unsere dritte Nacht verbrachten wir auf einem öffentlichen Parkgelände: Jeannette schlief auf auf dem einen Sitz im Auto und ich auf dem anderen. Die folgende Nacht war dann etwas besser: wir übernachteten bei Karl und Martha Lind, unseren Freunden in Portland/Oregon.

Dort übernachteten wir – einige von Ihnen erinnern sich vielleicht an die Geschichte – im Zimmer ihres Sohnes David, der schon von zuhause ausgezogen war. Sein älterer Bruder John wohnte noch zuhause. Am Morgen wurden wir vom Klang einer dröhnenden Stimme geweckt, die aus der Sprechanlage verkündete: „Das Frühstück wird in zehn Minuten im Esszimmer serviert!“ Die Stimme klang sehr würdig und formell, aber ich hörte, dass es John war. Bevor er auch nur den Finger vom Knopf der Sprechanlage genommen hatte, hörten wir dann ein gewaltiges Krachen und Scheppern von Glas. Es klang, als wäre buchstäblich das gesamte Geschirr aus dem Schrank auf den Boden gefallen und zerbrochen. Und gleich nach diesem donnernden Krach bellte eine Stimme – von der ich wusste, dass sie zu Karl gehörte –: „John!“

Mit wenig Geld zu heiraten, ist gar nicht so leicht. Jeannette und ich hatten es nicht leicht, als wir heirateten, einige von Ihnen hatten es vielleicht auch nicht leicht, und genauso scheint es das namenlose Paar nicht leicht gehabt zu haben, an dessen Hochzeitsfeier Jesus, Seine Mutter und die Jünger in Kana in Galiläa teilnahmen. Die Geschichte von dieser Hochzeit in Kana in Galiläa findet sich nur im Johannes-Evangelium. Es ist dies der erste Anlass, bei dem unser Herr eine Demonstration Seiner Macht gibt. Dabei handelt es sich nicht um ein bloßes Wunder, nein, es ist ein Zeichen, ein Wunder, das eine Botschaft beinhaltet. Hören wir sorgfältig auf die Worte dieses Textes, um zu erfahren, was der Geist Gottes uns mit diesem Hochzeitswunder lehren will.

Die Situation
(2:1-5)

1 Am dritten Tage nun fand eine Hochzeit in Kana in Galiläa89 statt. Die Mutter Jesu90 war dort, 2 und Jesus und seine Jünger waren ebenfalls zu der Hochzeitsfeier eingeladen. 3 Als der Wein zur Neige ging, sagte Jesu Mutter zu ihm: „Sie haben keinen Wein mehr.“ 4 Jesus erwiderte: „Frau, warum sagst du mir das? Meine Zeit ist noch nicht gekommen.“ 5 Seine Mutter wies die Diener an: „Was immer er zu euch sagt, das tut.“

In der Welt des Alten und des Neuen Testaments war eine Hochzeit – geradeso wie heutzutage – ein froher und festlicher Anlass. Die Hochzeitsfeierlichkeiten dauerten erheblich länger als heute, und während dieser Zeit wurde getafelt und gefeiert. Zwei Stellen aus der Bibel geben einen Hinweis darauf, wie diese Feier im zweiten Kapitel des Johannes-Evangeliums abgelaufen sein mag. Die erste davon ist die Hochzeit von Jakob und Lea in Genesis 29. Jakob dachte eigentlich, dass er mit der jüngeren Schwester Rahel verheiratet würde, um die er sieben Jahre lang gedient hatte. Aber Laban täuscht und übervorteilt Jakob, indem er ihm die Bräute vertauscht. Die langen Feierlichkeiten, eine ganze Menge Wein und ein sehr dunkles Zelt erklären vielleicht, wie es geschehen konnte, dass Jakob mit Lea statt mit Rahel die Nacht verbrachte und die Ehe vollzog.

Die zweite und noch aufschlussreichere Hochzeitsfeier ist die von Samson in Richter 14. Diese Ehe wird niemals wirklich vollzogen werden, und am Ende wird die Braut aus dem Stamm der Philister Samsons Freund (und vielleicht sogar Trauzeugen; 14:20) gegeben. Samson findet diese Frau in Timna und fordert von seinen Eltern, dass sie die Hochzeit mit ihr arrangieren. Auf dem Weg dorthin wird Samson von einem jungen Löwen angegriffen und er zerreißt ihn mit seinen bloßen Händen. Samson erzählt niemandem etwas davon. Später kommt er auf dem Weg nach Timna zu seiner Hochzeit wieder an dem Kadaver des Löwen vorbei, in dem inzwischen ein Bienenschwarm seine Honigwaben gebaut hat. Samson schöpft etwas von dem Honig heraus, isst davon und gibt auch seinen Eltern etwas ab, ohne ihnen zu erzählen, wo der Honig herkommt. Während der einwöchigen Hochzeitsfeierlichkeiten gibt Samson den jungen Philistern, die bei dem Fest zu Gast sind, ein Rätsel auf. Er verspricht ihnen 30 Leinenkleider und 30 Obergewänder, wenn sie dieses Rätsel innerhalb der sieben Tage des Festes lösen können. Die Philister kriegen die Lösung des Rätsels nicht heraus und zwingen daher Samsons zukünftige Frau, die Antwort aus ihm herauszulocken. Als Samson erfährt, wie die jungen Männer des Rätsel Lösung zustande gebracht haben, geht er hinab in die Philisterstadt Askalon, tötet dort 30 Philister, nimmt ihre Kleidung und gibt sie den jungen Männern aus Timna. Infolge von Samsons Rache wird seine Ehe niemals vollzogen und die Frau wird einem anderen Mann gegeben. Durch diese Geschichten können wir Einblicke in die Dinge gewinnen, die sich vielleicht während der einwöchigen Hochzeitsfeier in unserem Text zugetragen haben.

Von Leon Morris erhalten wir zusätzliche Hintergrundinformationen aus den jüdischen Schriften:

Gemäß der Mischna sollte die Hochzeit an einem Mittwoch stattfinden, wenn die Braut eine Jungfrau war, und an einem Donnerstag, wenn sie eine Witwe war (Ket. 1:1). Der Bräutigam legte den Weg zum Haus der Braut in einer Prozession mit seinen Freunde zurück. Dies geschah oft bei Nacht, so dass man eine spektakuläre Fackelprozession abhalten konnte. Zweifellos gab es Ansprachen und gute Absichten wurden erklärt, bevor die Braut und der Bräutigam in einer Prozession zum Haus des Bräutigams gingen, wo das Hochzeitsbankett abgehalten wurde. Wahrscheinlich gab es auch eine religiöse Zeremonie, aber darüber wissen wir keine Details. Hauptsächlich sind es die Prozessionen und das Festmahl, worüber wir Informationen haben. Das Fest dauerte lange, bis zu einer Woche.91

Maria, die Mutter Jesu, ist bei der Hochzeit anwesend, und ihre Rolle scheint über die eines Gastes hinauszugehen. Man hat den Eindruck, dass es sich bei dem Hochzeitspaar um Freunde oder möglicherweise auch Verwandte von Maria handelt und dass sie bei der Organisation, besonders beim Anrichten von Essen und Wein, mithilft. Sie scheint eine der ersten zu sein, die bemerken, dass der Wein zur Neige geht. Sie weist die Diener an, alles zu tun, was Jesus ihnen sagt; und die Diener scheinen auch gewillt zu sein, ihre Anweisung zu akzeptieren.

Jesus und Seine Jünger sind als geladene Gäste ebenfalls bei der Hochzeit. Es scheint zu diesem Zeitpunkt erst fünf Jünger zu geben: Andreas, Simon Petrus, Philippus, Nathanael und Johannes (wenn der tatsächlich der andere Jünger des Johannes ist, der Jesus nachfolgt). Die Tatsache, dass Maria, Jesus und die Jünger alle zu dieser Hochzeitsfeier eingeladen sind, spricht dafür, dass es sich um die Hochzeit von jemandem handelt, der ihnen allen bekannt ist, vielleicht um einen Freund oder Verwandten. Als die Feierlichkeiten schon eine ganze Weile andauern, wird Jesu Mutter einer ganz peinlichen Lage gewahr, für die es keine Lösung zu geben scheint – der Wein ist zu Ende. Entweder ist kein anderer Wein mehr verfügbar oder es ist kein Geld da, um noch mehr Wein zu kaufen. Die Gäste scheinen noch nicht bemerkt zu haben, was los ist. Aber wenn nichts geschieht, werden alle beschämt werden. Manche Kommentatoren sagen sogar, dass es in solchen Fällen zu einem Rechtsstreit kommen konnte92. (Können Sie sich vorstellen, vor Gericht gestellt zu werden, weil Sie nicht genug Speisen und Getränke bei einer Hochzeitsfeier angeboten haben?)

Jesu Mutter scheint einzugreifen und die Verantwortung zu übernehmen, wenn sie zu Jesus sagt „Sie haben keinen Wein mehr“. Das ist keine bloße Feststellung – unser Herr weiß das, und Johannes erwartet auch von uns, dass wir es wissen. Nicht jeder fasst das so auf93, aber ich glaube doch, dass Maria Jesus in der Hoffnung informiert, dass Er etwas an der Situation ändern könnte. Von allen Anwesenden kennt die Mutter unseres Herrn Jesus am besten. Sie weiß besser als jeder andere um die wunderbaren Ereignisse im Zusammenhang mit Seiner Geburt. Sie weiß auch von der wunderbaren Geburt Johannes’ des Täufers und von dessen Dienst, bei dem er Jesus als den verheißenen Messias offenbart hat. Anscheinend hat Jesus bisher noch keine Wunder vollbracht, und wir wissen nicht mit Sicherheit, ob sie jetzt eines erwartet. Aber nach allem, was sie weiß, ist es sicher möglich, dass sie von Jesus eine über das Normale hinausgehende Handlung erwartet.

Maria mag diese Notlage als eine schicksalshafte Fügung empfunden haben. Vielleicht denkt sie, dass es an der Zeit für Jesus wäre, Sich der Welt als der Messias zu präsentieren94. Johannes der Täufer hat Ihn bereits als den Messias bezeichnet, und Er hat schon eine Gefolgschaft von Jüngern. Ein gut platziertes Wunder könnte das Mittel sein, um dem Volk Seine Identität zu offenbaren. Gleichzeitig wären die Jungvermählten höchst dankbar, wenn Er eine Lösung für ihr Problem bieten würde! Maria achtet sehr darauf, Jesus nicht vorzuschreiben, was Er tun soll, aber sie hofft doch offensichtlich darauf, dass Er etwas tun wird.

Jesus weiß, dass Seine Mutter irgendeine Reaktion von Ihm erwartet, und Er gibt ihr eine Antwort, die wohl kaum dem entspricht, was sie von Ihm erwartet hätte. Es ist keine unfreundliche Antwort – sie dient schlicht dazu, die Situation richtig zu stellen und Sein Verhältnis zu Maria, Seiner irdischen Mutter, neu zu definieren. Jesus nennt sie nicht „Maria“ oder „Mutter“, sondern „Frau“. Den gleichen Begriff wird Jesus gebrauchen, wenn Er zu ihr vom Kreuz herab spricht (Johannes 19:26). Hier, bei der Hochzeitsfeier, fragt Jesus Maria: „Warum sagst du Mir das?“95

Jesus gebraucht keinen neuartigen oder einmaligen Ausdruck, wenn Er Seine Mutter als „Frau“ anspricht. Dieser Ausdruck findet sich mehrere Male im Alten (Richter 11:12, 18:24; 2. Samuel 16:10, 19:23; 2. Könige 3:13; 2. Chronik 35:21) und einige Male im Neuen Testament (siehe auch Markus 5:7; Lukas 8:28). Der Ausdruck schafft gewissermaßen eine Distanz zwischen zwei Parteien. Beispielsweise wird Jephtha zum Führer Israels berufen, als die Ammoniten in die Schlacht gegen Israel ziehen wollen, und sendet eine Botschaft an den König von Ammon: „Was hast du gegen mich [wörtlich: ‚Was mit dir und mir ...’], dass du gekommen bist, um in meinem Land gegen mich zu kämpfen?“ (Richter 11:12b, NKJV).

Jephthas Frage „Was mit dir und mir?“ ist von der Bedeutung her identisch (im hebräischen Text und in Form und Bedeutung der griechischen Übersetzung der Septuaginta) mit der Redewendung, die unser Herr hier in unserem Text im Johannes-Evangelium benutzt. Jephtha fragt den König der Ammoniter, was es zwischen ihnen für ein Problem gibt. Was für ein Problem lässt uns gegeneinander antreten? Jephtha distanziert sich in jeder Hinsicht vom König der Ammoniter, die Anlass zu einem Krieg bieten könnte. Er erreicht das, indem er den König darauf hinweist, dass es zwischen ihnen gar nicht genügend Gründe gibt, um derentwegen man kämpfen müsste.

Im Neuen Testament, im Markus-Evangelium spricht der von den Dämonen Besessene zu Jesus über die Dämonen, die von ihm Besitz ergriffen haben: „Was gibt es zwischen dir und mir, Jesus, Sohn des Höchsten Gottes? Schwöre bei Gott, mich nicht zu quälen!“ (Markus 5:7). Das ist derselbe griechische Ausdruck wie oben, durch den sich der Dämon von Jesus zu distanzieren versucht. Er fleht Jesus an, ihm keine Schwierigkeiten zu bereiten und seine dämonische Existenz nicht noch erbärmlicher zu machen. Was haben sie denn zu diesem Zeitpunkt schon für Zwistigkeiten miteinander?

Denselben Ausdruck gebraucht nun auch Jesus, um Maria zu fragen, wie sie denn darauf komme, dass dieses Problem, das sie da erkannt hat, nicht nur ihr, sondern auch Sein Problem sei. Als Seine Mutter könnte sie ja auf die Idee kommen, sie habe eine gewisse elterliche Autorität über Ihn. Über Ihn als ihren souveränen Gott hat sie aber keinerlei Autorität! Das ist es, was Jesus mit Seinen Worten ausdrücken will. Es ist fast so, als habe Maria gesagt „Jesus, sie haben keinen Wein mehr. Wir müssen dringend etwas unternehmen“ und Jesus habe darauf geantwortet „Gnädige Frau, was meinen Sie mit ‚wir’?“

Diese Antwort erinnert mich an den abgedroschenen Witz über Lone Ranger und seinen getreuen indianischen Gefährten Tonto. Lone Ranger und Tonto sind von einen Indianerstamm mit großer Übermacht umzingelt. Lone Ranger wendet sich an seinen Gefährten und sagt: „Tonto, ich glaube, wir haben ein Problem.“ Tonto sieht Lone Ranger an und antwortet: „Was meinst du mit ‚wir’, weißer Mann?“

Lukas sagt in seinem Evangelium ausdrücklich, dass Jesus als Kind im Gehorsam Seinen Eltern gegenüber lebte (2:51). Wir wissen nicht, wann genau Joseph starb, aber anscheinend geschah das, noch bevor unser Herr erwachsen war, denn Joseph wird nach den ersten Jahren unseres Herrn überhaupt nicht mehr erwähnt. Jesus hat Seine Mutter immer geehrt und Sich ihrer Autorität untergeordnet; nun aber ist es an der Zeit, dass unser Herr Seiner Mutter gegenüber zum Ausdruck bringt, dass sich die Dinge ändern werden. Er ist nicht nur ein erwachsener Mann geworden, der Sein eigenes Leben leben wird, sondern Er ist auch der Messias, der eines Tages Sein Reich auf der Erde errichten wird. Er kann mit Maria nicht mehr so wie früher umgehen. Er kann nicht zulassen, dass der Gehorsam gegenüber Seinem Vater von den Anforderungen Seiner irdischen Mutter „überstimmt“ wird.

Die Notlage bei der Hochzeit gibt Jesus die Gelegenheit, einen Präzedenzfall zu schaffen, der Seiner Mutter eindeutig zeigt, dass Er Sich durch sie als Seine Mutter nicht mehr anleiten oder beeinflussen lassen wird. Bei der Hochzeit in Kana beginnt ein neues Verhältnis zwischen Jesus und Seiner Mutter. In diesem Punkt sind Katholiken und Protestanten sehr unterschiedlicher Meinung. Katholische Wissenschaftler sind – im Einklang mit ihrer übertriebenen Einschätzung der Bedeutung Marias – davon überzeugt, dass sie hier ihren Einfluss auf Jesus dazu benutzt, um Ihn dazu zu bringen, etwas zu tun, was Er sonst nicht getan hätte.96 Der Text scheint uns aber gerade das Gegenteil zu sagen. Jesus erinnert sie daran, dass sie nur eine Frau ist und dass Er, als Gott, ihren Wünschen nicht nachkommen kann, wenn es nicht „Seine Zeit“ ist.

Unser Herr weist Seine Mutter weder abrupt noch willkürlich ab. Er sagt nicht „Nein“ und er sagt auch nicht „Ja“. Er erinnert sie lediglich an die Veränderung, die in ihren Rollen und in ihrem Verhältnis stattgefunden hat. Er ist nicht mehr ihr „Kleiner“, der alles tun muss, worum sie ihn bittet. Er ist der Messias, der Seinem wahren Vater gehorsam sein muss. So reagiert er empfindlich im Hinblick auf das Timing Seines „Debüts“. Jesus informiert Seine Mutter, dass es noch nicht „Seine Zeit“ ist97. Er meint hier mit „Seiner Zeit“ den Zeitpunkt Seines öffentlichen Debüts als der verheißene Messias – nicht Seinen Tod am Kreuz von Golgatha98.

Nachdem sie in angemessener Form informiert wurde, ist Maria gewiss weder gekränkt, noch hat Jesus sie mit Seinen Worten ganz und gar abgewiesen. Sie wendet sich einfach an die Diener und weist sie an: „Was immer Er euch sagt, das tut.“ Sie streitet nicht mit Ihm, denn Er hat Seinen Standpunkt klar ausgedrückt. Sie verhandelt nicht mit Ihm. Aus ihren Worten kann man schließen, dass sie ihre Aufforderung in Seine Hände gelegt hat und Er damit tun soll, was Ihm passend erscheint. Vielleicht wird Er den Dienern überhaupt nichts sagen. Aber wenn Er ihnen etwas – irgend etwas – sagt, sollten sie seine Worte befolgen, denn dann wird es zu Seinem Wohlgefallen und zu Seiner guten Zeit getan sein.

Wasser zu Wein
(2:6-11)

6 Nun gab es dort sechs steinerne Wasserkrüge für die zeremonielle Waschung der Juden, und jeder von ihnen fasste zwei bis drei Maß. 7 Jesus sagte zu den Dienern: „Füllt die Wasserkrüge mit Wasser.“ Und sie füllten sie bis an den Rand. 8 Dann forderte er sie auf: „Schöpft nun etwas davon heraus und bringt es zum Festleiter“, und sie taten es. 9 Der Festleiter kostete das Wasser, das in Wein verwandelt worden war, aber er wusste nicht, woher es kam (nur die Diener, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es); da rief er den Bräutigam 10 und sagte zu ihm: „Jeder reicht den guten Wein zuerst und dann den billigeren Wein, wenn die Gäste trunken geworden sind. Du hast den guten Wein bis jetzt aufgehoben!“ 11 So tat Jesus das erste seiner Wunderzeichen, in Kana in Galiläa. Auf diese Weise offenbarte er seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.

Das alttestamentarische Gesetz forderte verschiedene Waschungen; für die Pharisäer und andere war das aber noch nicht genug:

1 Es versammelten sich nun bei ihm die Pharisäer und einige der Schriftgelehrten, die von Jerusalem gekommen waren. 2 Und sie sahen, dass einige der Jünger Jesu ihr Brot mit unreinen Händen – das heißt, ohne Waschung der Hände – aßen. 3 (Denn die Pharisäer und alle Juden essen nicht, bevor sie nicht eine rituelle Waschung vorgenommen haben; so halten sie an der Tradition der Alten fest. 4 Und wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, bevor sie sich nicht gewaschen haben. Sie halten noch an vielen weiteren Traditionen fest, wie an der Waschung von Bechern, Töpfen, Kesseln und Esszimmerliegen.) 5 Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn: „Warum leben deine Jünger nicht nach der Tradition der Alten, sondern essen ihr Brot mit ungewaschenen Händen?“ (Markus 7:1-5)

Dementsprechend könnte eine Hochzeit zwischen überzeugten Juden vielerlei Reinigungszeremonien erfordert haben. Um diese Waschungen zu ermöglichen, wurde eine erhebliche Menge Wasser bereitgehalten. In der Nähe – es könnte sein, im Blickfeld unseres Herrn (aber vielleicht außer Sicht für die tafelnden Gäste) – sind sechs große steinerne Wasserkrüge. Jeder Krug hat ein Fassungsvermögen von 75 bis 100 Litern, insgesamt also rund 500 Liter.

Jesus weist die Diener an, jeden dieser sechs Wasserkrüge bis zum Rand zu füllen. Man kann wohl sagen, dass ein steinerner Wasserkrug schon ohne Inhalt schwer ist, und noch schwerer dann, wenn er voll ist (das Wasser in einem vollen Krug wiegt allein schon 75 bis 100 Kilogramm). Anscheinend wollte Jesus nicht, dass die Diener diese Krüge forttragen, ausleeren, wieder auffüllen und dann zurückbringen. Dafür sind sie viel zu schwer, insbesondere wenn sie mit Wasser gefüllt sind. Ich denke, dass zumindest einige der Krüge zu diesem Zeitpunkt teilweise voll waren – schließlich ging der Wein zur Neige und nicht das Wasser für die Reinigungszeremonien. Die Diener müssen Wasser in kleineren Gefäßen geholt und auf diese Weise nach und nach die großen Steinbehälter aufgefüllt haben.

Ich bezweifle, dass bis zu diesem Zeitpunkt irgendjemand – weder die Diener noch Maria noch die neuerworbenen Jünger unseres Herrn – eine Ahnung hat, was Jesus zu tun vorhat. Als die sechs Steinkrüge gefüllt sind, weist Jesus die Diener an, etwas „Wasser“ aus einem der Krüge zu schöpfen und es dem Festleiter vorzusetzen. An dieser Stelle werden die Diener durch Marias Worte auf eine harte Probe gestellt.

Ich weiß nicht, ob wir wirklich ermessen können, wie schwierig dieser Auftrag für die Diener eigentlich auszuführen war. Die Wasserkrüge aufzufüllen war eine Sache und gehörte wahrscheinlich in ihren üblichen Verantwortungsbereich. Aber wer würde je auf die Idee kommen, dieses „Wasser“ zu trinken? Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten für einen Caterer, der bei einem Bankett eine große Gesellschaft bedienen muss. In der Küche fällt eine der großen Kasserollen (Kochtöpfe) herunter und die Hälfte der Soße fließt auf den Boden. Einem der Angestellten gelingt es, den größten Teil der Soße vom Boden aufzunehmen, und er füllt damit die Saucieren. Würden Sie zulassen, dass ein Kellner diese „Soße“ über Ihre Kartoffeln gießt, wenn Sie wüssten, woher sie kommt? Wohl kaum.

Die Camper unter Ihnen waren vielleicht schon einmal auf einem abgelegenen Campingplatz, wo es Wasser aus einem Brunnen gibt, das aber nicht unbedingt sauber genug zum Trinken ist. Man sucht dann nach Hinweisen, um eindeutig trinkbares Wasser herauszufinden. Sie würden nicht auf die Idee kommen, Wasser zu trinken, das nicht vollkommen sauber ist. Damit kann sich die Hände waschen, aber Sie würden es bestimmt nicht trinken. Das „Wasser“ zur zeremoniellen Reinigung wurde wahrscheinlich nicht als trinkbar angesehen. Bei diesen Gelegenheiten hatte man Wein zu trinken. Ich bezweifle, dass ein überzeugter Jude auf die Idee gekommen wäre, Wasser aus einem dieser sechs Steinkrüge zu trinken.

Wenn man das bedenkt, kann man sich besser vorstellen, wie sich die Diener gefühlt haben müssen, als sie die steinernen Wassergefäße fertig gefüllt hatten und für weitere Anweisungen zu Jesus zurückkamen. Keiner von ihnen wäre je auf die Idee gekommen, dass Jesus daraufhin sagen würde: „Schöpft nun etwas davon heraus und bringt es zum Festleiter.“ Sie müssen ihren Ohren nicht geglaubt und gedacht haben: „Ich weiß ja, dass Maria gesagt hat, wir sollten alles tun, was Jesus sagt – aber das kann Er doch nicht ernst meinen! Wir sollen dieses „Wasser“ dem Festleiter vorsetzen? Wenn der merkt, dass es nur Wasser ist und kein Wein, wird er uns feuern. Und wenn er herauskriegt, woher das Wasser kommt, kriegen wir erst recht Probleme.“

Niemand konnte sich im Entferntesten vorstellen, was geschehen würde. Jesus schwenkt nicht die Arme über den Wasserkrügen und befiehlt dem Wasser, zu Wein zu werden. Anscheinend hat Er das Wasser oder die Krüge nicht einmal berührt. Jesus erzählt ihnen noch nicht einmal, dass das Wasser zu Wein geworden ist oder dass es zu Wein werden wird. Nach allem, was die Diener wissen, trägt Jesus ihnen nicht weniger auf, als dass sie dem Festleiter Wasser, zeremonielles Waschwasser vorsetzen sollen! Das ist entsetzlich! Ihnen noch mehr zu sagen, hätte die Grenzen ihres Fassungsvermögens überschritten.

So weit wir wissen, gehorchen die Diener unserem Herrn sofort. Wir lesen nichts von einem Zögern, kein Wort des Widerspruchs. Die Diener schöpfen aus den Krügen und beginnen den Wein zu servieren, zuerst dem Festleiter. Ich frage mich, zu welchem Zeitpunkt das Wasser wohl zu Wein wurde und die Farbe wechselte. (Oder was wäre, wenn es Weißwein wurde und die Farbe sich überhaupt nicht änderte? Dann hätte es keinerlei sichtbaren Hinweis darauf gegeben, dass das Wasser in Wein verwandelt worden war.) Der Festleiter hat keine Ahnung, woher sein Getränk kommt, aber die Diener wissen es. Die Spannung dieser Momente, zwischen dem Trinken des Festleiters und dem Zeitpunkt seiner Reaktion, muss für die Diener eine reine Qual gewesen sein. Der Festleiter schnuppert an dem Becher, dann nimmt er einen Schluck. Dann ruft er nach dem Bräutigam – was will er ihm sagen? Was den Dienern in diesem Moment an Möglichkeiten im Kopf herumgeht, wäre schon eine Geschichte für sich.

Mit einem Lächeln – vielleicht klopft er dabei dem Bräutigam auf den Rücken – erklärt der Festleiter, dass dieser Wein fabelhaft ist – der beste überhaupt bisher. Das Timing ist etwas unorthodox, sagt er zum Bräutigam, aber der Wein ist ausgezeichnet. Der übliche Trick ist, so bemerkt er, den schlechteren Wein bis zuletzt aufzuheben. Wenn alle schon ihr Quantum Wein – oder mehr – innehaben (wörtlich: „wenn sie betrunken sind“)99, ist ihr Geschmackssinn nicht mehr so fein und sie merken den schlechteren Wein vielleicht gar nicht. Dieser Wein aber ist der beste bisher! Der Bräutigam hat sich selbst übertroffen und das Allerbeste bis zum Schluss aufgehoben. Was nach einer sicheren Schande aussah, ist plötzlich zu einem Triumph für den Bräutigam und den Festleiter geworden.

Schlussfolgerung

Das Wunder von Kana in Galiläa kann uns heutigen Menschen vieles sagen. Erlauben Sie mir, einige Anmerkungen zu machen und Folgen und Anwendungsmöglichkeiten daraus für uns heutige Menschen vorzuschlagen.

Zuallererst: Dies ist das erste der Wunder unseres Herrn. Johannes nennt es in Vers 11 den „Anfang der Zeichen“. Liberale Wissenschaftler wollen die Worte der Schrift nicht gern für bare Münze nehmen. Sie glauben nicht, dass es sich überhaupt um ein Wunder handelte, und erklären die Geschichte so: Eine Hochzeit fand statt, und der Wein ging zur Neige. Jesus sagte den Dienern, dass sie Wasser auftragen sollten, als der Wein ausging. Es war so, wie wenn ein Kind Kaffeekränzchen spielt. In dem Versuch, die peinliche Situation herunterzuspielen, kostet der Festleiter von dem Wasser, das ihm anstelle von Wein vorgesetzt wird, und sagt (humorvoll): „Guter Wein!“ Dann erfasst ein anderer bei der Feier den Geist des Augenblicks und fügt hinzu: „Ja, das ist ja der beste Wein überhaupt bisher!“ Ich nehme Johannes’ Bericht lieber wörtlich. Es war ein Wunder. Jesus verwandelte Wasser – Waschwasser für religiöse Zeremonien – in den besten Wein, den Menschen je getrunken haben.

Zweitens: Jesus scheint bei diesem Wunder Seine übernatürlichen Kräfte widerwillig und nur aufgrund der Beharrlichkeit Seiner Mutter einzusetzen – das trifft aber nicht zu. Ich glaube, man darf zurecht bemerken, dass unser Herr in den Evangelien oft Selbst weniger erpicht darauf ist, Wunder zu tun, als es die anderen sind, die Ihn Wunder vollbringen sehen wollen. Er kennt die Grenzen solcher Machtäußerungen, wie wir am Ende des Kapitels sehen werden. Jesu Zögern bedeutet nicht, dass er dem Brautpaar in seiner Notlage nicht helfen wollte. Vielmehr legt Er Wert darauf, dass Seine Mutter versteht, dass sich ihr Verhältnis endgültig verändert hat und dass Seine Berufung nicht darin besteht, auf ihr Geheiß hin zu handeln, so als hätte sie einen direkten Draht zu Gott. Außerdem ist es Ihm wichtig, den Plan Seines Vaters zu der von Gott festgesetzten Zeit zu erfüllen, und nicht nach dem Zeitplan Seiner Mutter. Er weiß, dass es für Ihn noch nicht an der Zeit ist, Seine Macht öffentlich zu demonstrieren und Sich so öffentlich als der verheißene Messias darzustellen. Wer heutzutage übermäßig erpicht darauf ist, Gott Wunder vollbringen zu sehen (manche bestehen ja regelrecht darauf), sollte über diese Tatsache gründlich nachdenken: Jesus ist Selbst weniger erpicht darauf, Wunder zu tun, als es die anderen sind, die Ihn Wunder vollbringen sehen wollen.

Drittens: Dieses Wunder war keine „Notwendigkeit“, sondern eher „Luxus“. Halten Sie einen Moment inne und denken Sie darüber nach. Dieses Wunder ist nicht wie manches andere, das Jesus vollbrachte, wenn jemand jahrelang gelitten hatte oder das Leben eines Kindes in der Waagschale lag. Es handelt sich nicht um einen Notfall, der sofortiges und dramatisches Eingreifen vonseiten unseres Herrn erfordern würde.

Als ich vor Jahren mit meiner Familie auf Besuch bei guten Freunden in Kanada war, kam ein Telefonanruf für uns, als wir gerade nicht da waren. Man sagte uns, dass jemand mit einem starken Akzent angerufen hätte. Ich sehe keine Möglichkeit, Laute (insbesondere einen Akzent) in gedruckten Worten wiederzugeben; also schalten Sie ihre Vorstellungskraft, wenn Sie können, auf „Schwedisch“ um – dann können Sie das Gespräch vielleicht so „hören“, wie es sich für mich damals anhörte. Als ich zuhause anrief, wo in unserer Abwesenheit ein schwedisches Ehepaar wohnte, kam von Schel zurück: „Bob, es hat eine Tragödie gegeben ... Carmen ist tot.“ Carmen war unser kleiner Pudel, den wir sehr mochten. Sie war nach draußen gelaufen und von einem vorbeifahrenden Auto überrollt worden. Wir waren sehr traurig, aber eine Tragödie war das nicht. Wir fühlten uns keineswegs verpflichtet, unsere Reise abzubrechen und überstürzt für eine „Beerdigung“ nach Hause zu fahren. In ähnlicher Weise war es wohl ein Problem, dass der Wein zur Neige ging, aber es war keine Tragödie. Das erste Wunder Jesu diente der Lösung eines nicht-kritischen Problems – allerdings bin ich mir sicher, dass sich das Problem in den Augen des neuvermählten Paares, und vielleicht auch in Marias Augen, schon etwas kritischer darstellte, als ich die Situation von hier aus einschätze. Ein Notfall war es jedoch nicht.

Aus diesem Wunder kann man etwas lernen: Gott nimmt unsere „nicht-kritischen“ Probleme ernst. Ein Gebet ist kein Anruf auf 110. Manche Menschen haben vielleicht die Vorstellung, dass Gott so etwas wäre wie der Präsident der Vereinigten Staaten – eine Person, deren Zeit viele (zu viele) Menschen mit ihren Forderungen beanspruchen, so dass Er unmöglich auf jeden einzelnen eingehen kann. Sie stellen sich Gott dann vielleicht so vor, als säße Er an einem großen himmlischen Tisch, mit einer ganzen Reihe von Telefonen vor Sich, die alle wegen „Anforderungsgebeten“ läuten; und Er ist damit beschäftigt, die Anrufe anzunehmen. Wer sind wir, dass wir Gott mit unseren Problemen „belästigen“? Wenn das unsere Vorstellung von Gott ist, dann ist sie falsch. Gott ist allmächtig und allwissend. Er ist niemals überlastet, wenn wir Ihn um Hilfe anrufen.

Zudem ist Er ein mitleidiger und barmherziger Vater, der für Seine Kinder sorgt. Gott ist niemals verärgert, wenn wir mit unseren kleinen Problemen zu Ihm kommen. Um die Analogie zur „Belästigung“ eines vielbeschäftigten Präsidenten fortzusetzen: Gott sieht unsere „Anrufe“ (Gebete) an Ihn nicht als Störungen an, als riefe jemand den Präsidenten an, um die Uhrzeit oder die Temperatur zu erfragen. Wir sind Gottes Kinder. Ich sage Ihnen: ein Präsident, der seine Kinder liebt, wird (oder sollte) gerne eine Störung durch etwas hinnehmen, was seine Kinder sehr betrifft, wenn sie ihn damit als ihren Vater unterbrechen.

Ich finde es sehr ermutigend, dass das erste Wunder unseres Herrn eines ist, das viele Menschen als nicht-essenziell ansehen würden. Im weiteren Verlauf des Dienstes unseres Herrn fingen die Jünger an, sich wie der „Geheimdienst“ unseres Herrn aufzuführen; sie scheuchten kleine Kinder und Leute weg, die sie als eine Belästigung für den Erlöser ansahen – und Jesus tadelte sie dafür. Gott sorgt auch für die Kleinigkeiten in unserem Leben. Das erinnert mich an die Geschichte von dem „verlorenen Axteisen“ in 2. Könige 6, wo Elisa ein Axteisen für einen der Söhne des Propheten zurückholt. Es ist oft versucht worden, diesen Text spirituell zu deuten, um ihm Wichtigkeit zu verleihen. Ich glaube, er ist aber auch so sehr wichtig: Gott sorgt für verlorene Axteisen und verlorene Autoschlüssel und platte Reifen ... Gott sorgt sich um die Kleinigkeiten, die Seine Kinder betreffen.100

Viertens: Dieses Wunder ist wie manche meiner Witze – die meisten Zuschauer haben es gar nicht „mitgekriegt“. Man sollte meinen, dass Jesus alle wissen lassen wollte, was Er tat. Er hätte um allgemeine Aufmerksamkeit bitten und ansagen können, dass er jetzt Wasser in Wein verwandeln werde. Er hätte sich viel dramatischer gebärden können, Er hätte mit den Händen über den Wasserkrügen herumwedeln und den „guten Wein“ dann persönlich dem Festleiter kredenzen können. Tatsächlich aber scheint Jesus die Wasserkrüge oder den Wein noch nicht einmal berührt zu haben. Er gibt einfach die Anweisung an die Diener, die Krüge zu füllen und den Inhalt auszuschenken. Wenn Sie den Festleiter oder irgendeinen Gast darüber befragt hätten, was er denn so von der Feier hielt, hätte der vermutlich gesagt: „Oh, es war eine wirklich schöne Feier, und der Wein zuletzt war ja wirklich Klasse.“ Die meisten Leute erfuhren gar nie, dass ein Wunder geschehen war. Anscheinend waren sich nur Maria, die Diener und die Jünger dessen bewusst, was geschah. Johannes erzählt, dass die Jünger wegen dieses Wunders an Ihn glaubten (Vers 11). Die Diener, habe ich den Eindruck, wussten, „was“ geschehen war, waren sich aber nicht sicher, „wie“ es genau geschehen war; also hielten sie einfach den Mund und kratzten sich verwundert am Kopf.

Dass die erste Darstellung der Macht unseres Herrn so wenig sichtbar wie möglich geschah, war Absicht. Alles, was unser Herr bei der Verwandlung des Wassers in Wein tat, geschah in der Absicht, Sich so wenig wie möglich zu exponieren. So durchgeführt, konnte unser Herr das Wunder vollbringen, ohne gegen den Willen Seines Vaters bezüglich „Seiner Zeit“ zu verstoßen. Es war noch nicht der Augenblick, da unser Herr Seine Macht und Herrlichkeit öffentlich sichtbar machen sollte. Deshalb vollbrachte Er das Wunder nicht-öffentlich, auf eine Art, die mit Gottes Zeitplan im Einklang stand. In gewisser Hinsicht gibt es hier in den ersten Versen von Johannes 2 zwei Wunder. Das erste ist die Verwandlung von Wasser in Wein. Das zweite ist, dieses Wunder so zu vollbringen, dass es nicht für jeden offensichtlich ist.

Sehr wahrscheinlich ist das die Art, in der heutzutage viele Wunder geschehen. Sie geschehen auf eine Art, die so normal erscheint, dass viele sie gar nicht als etwas Übernatürliches erkennen. Dazu ist vielleicht ein Beispiel hilfreich: Kurz vor dem Abschluss des Priesterseminars kam für mich vor etlichen Jahren der Zeitpunkt, wo ich entscheiden musste, in welcher Gemeinde ich meinen Dienst antreten wollte. Ich hatte mehrere Möglichkeiten, aber eine davon wollte ich eigentlich am liebsten überhaupt nicht in Betracht ziehen – hauptsächlich des Ortes wegen, wo die Dienststelle sein würde. Das war nämlich genau der Ort in der ganzen Welt, an dem ich nicht leben wollte. Aber Gott bewirkte so viel in meinem Herzen, dass ich mich erweichen ließ und Ihm gegenüber meine Bereitschaft zum Ausdruck brachte, Ihm selbst an diesem Ort zu dienen. Eine Gemeinde in dieser Stadt hatte mit mir Kontakt aufgenommen und den Wunsch geäußert, mit mir über die Möglichkeit eines Pfarrdienstes bei ihnen in dieser Stadt zu sprechen. Gleichzeitig musste ich mich auch entscheiden, ob ich meinen gegenwärtigen Dienst fortsetzen wollte – und der war in dem Ort, in dem ich leben wollte. Da ich mich innerhalb einer bestimmten Frist festlegen musste, setzte ich eine Art Stichtag. Wenn Gott wollte, dass ich in die andere Stadt ziehen sollte – die, wo ich lieber nicht hinwollte –, sollte diese Gemeinde vor dem Stichtag wieder mit mir Kontakt aufnehmen müssen. Das taten sie nicht, und ich sagte dort zu, wo ich war. Nur wenige Tage später war ein Brief von der anderen Gemeinde in der Post. Interessanterweise war dieser Brief schon einen Monat zuvor aufgegeben worden, und aus den Stempeln auf dem Umschlag konnte ich ersehen, dass er überall gewesen war – nur nicht in unserem Briefkasten. Aus irgendwelchen Gründen war der Brief nicht pünktlich ausgeliefert worden, obwohl er korrekt adressiert war. Mancher mag vielleicht leichthin sagen, dass das nichts als ein Fehler bei der Post war. Ich aber glaube, dass es schicksalhaft war – ein Wunder – oder, wie einer meiner Freunde immer sagte, „wieder einer von diesen merkwürdigen Zufällen“.

Fünftens: Achten Sie insbesondere darauf, wie dieses Wunder „die Herrlichkeit unseres Herrn offenbarte“. So sagt Johannes: „Den Anfang der Zeichen machte Jesus in Kana in Galiläa und offenbarte Seine Herrlichkeit, und Seine Jünger glaubten an Ihn“ (Johannes 2:11, Hervorhebung durch B. Deffinbaugh).

Diese Aussage ist sehr interessant, weil sie nicht mit dem im Einklang zu stehen scheint, was wir gerade festgestellt haben. Wie konnte die Herrlichkeit unseres Herrn manifestiert werden, wenn so wenige erfuhren, dass ein Wunder vollbracht worden war? Die Antwort auf diese Frage finden wir wohl in Kapitel 1:

10 Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn erschaffen, aber die Welt erkannte ihn nicht. 11 Er kam zu dem, was sein Eigen war, doch sein eigenes Volk nahm ihn nicht auf. 12 Allen aber, die ihn aufnahmen – die an seinen Namen glaubten – gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden 13 – Kinder, die nicht von menschlichen Eltern oder durch menschlichen Willen oder aus der Entscheidung eines Ehemannes heraus geboren werden sind, sondern aus Gott. 14 Nun aber wurde das Wort Fleisch und lebte unter uns. Wir sahen seine Herrlichkeit – die Herrlichkeit des Einzigen, voller Gnade und Wahrheit, der vom Vater herkam (Johannes 1:10-14, Hervorhebungen durch B. Deffinbaugh).

Die Worte des Paulus an die Philipper tragen vielleicht zur Erklärung dessen bei, was Johannes uns sagt:

5 Diese Gesinnung lasst in euch sein, die auch in Christus Jesus war, 6 der in Gottesgestalt existierte und es nicht als Raub ansah, Gott gleich zu sein, 7 sondern Sich Seines Ansehens entäußerte, indem er die Gestalt eines Sklaven annahm und im Bild eines Menschen kam. 8 Und nach der Erscheinung einem Menschen gleich, erniedrigte Er Sich Selbst und wurde gehorsam bis hin zum Tod, selbst zum Tod am Kreuz (Philipper 2:5-8).

Jesus war Gott. Er war am Anfang bei Gott. Er nahm aktiv an der Erschaffung dieser Welt teil (Johannes 1:1-5). Er war das wahre Licht, das Licht der Welt, aber die Welt erkannte Ihn nicht (Johannes 1:6-11). Die Jünger erblickten Seine Herrlichkeit, aber die ganz große Mehrheit derer, die Ihn sahen und hörten, sahen in Ihm nicht das, was Er war; sie erblickten Seine Herrlichkeit nicht.

Dieses Thema wird weiter hinten im Johannes-Evangelium noch einmal aufgenommen. Ich möchte jetzt aber nur kurz Ihre Aufmerksamkeit auf eine dieser wichtigen Textstellen des Johannes-Evangeliums lenken: „Ich habe dich auf der Erde verherrlicht, indem ich das Werk vollendet habe, was du mir zu tun gabst. Und nun, Vater, verherrliche mich an deiner Seite mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt erschaffen wurde“ (Johannes 17:4-5). Unser Herr hatte im Himmel große Herrlichkeit, und diese sichtbare Herrlichkeit legte er ab, um in menschlichem Fleisch auf die Erde zu kommen. Er verherrlichte Gott durch Seine Demut und Seinen Gehorsam, die in Seinem (demütigenden) Opfertod gipfelten101. Deswegen hat Ihm der Vater noch größere Herrlichkeit gegeben. Diese Herrlichkeit wird öffentlich und sichtbar bei Seiner Wiederkunft und im Himmel manifest werden.

Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Ich fürchte, wir haben eine verzerrte Definition von „Herrlichkeit“, ganz ähnlich wie die Jünger in den Evangelien. Wir denken fälschlicherweise, dass Gottes Herrlichkeit sich in einer dramatischen Machtdemonstration äußert, einer Machtdemonstration, die offensichtlich und spektakulär ist, die von allen wahrgenommen und gewürdigt wird102. Ich möchte Sie aber noch einmal daran erinnern, dass die Herrlichkeit Gottes sich in diesem Wunder manifestierte, auch wenn es nur wenige als solches erkannten. Wir suchen vielleicht nach der falschen Art von „Herrlichkeit“. Nur allzu oft suchen wir im „Triumphalismus“ der neutestamentarischen Kirche (z.B. in der Gemeinde von Korinth) und in der heutigen Kirche nach der falschen Art von Herrlichkeit. Die Herrlichkeit Gottes, so wie ich sie verstehe, wird in den und durch die Heiligen manifestiert, indem sie – wie ihr Erlöser – demütig leben und geduldig leiden um Christi und des Evangeliums willen (siehe 1. Petrus 2, auch 2. Korinther 3 und 4).

Sechstens: Dieses Wunder wird ein „Zeichen“ genannt. Im Neuen Testament werden verschiedene Begriffe zur Bezeichnung von Wundern benutzt. Über den Begriff „Zeichen“ sagt D.A. Carson:

Das Neue Testament gebraucht verschiedene Worte, um das zu bezeichnen, was wir ‚Wunder’ nennen. Einer der gebräuchlichsten, dynameis (‚mächtige Werke’), kommt bei Johannes nicht vor; ein anderes, terata (‚Wunderdinge’, ‚Wunderzeichen’, ‚Wundertaten’) findet man nur in der Verbindung mit semeia (‚Zeichen’), beispielsweise in ‚Zeichen und Wunder’, aber diese Kombination kommt nur ein einziges Mal im Vierten Evangelium vor (4:48). Johannes zieht das einfache Wort ‚Zeichen’ vor: Jesu Wundertaten sind niemals nackte Machtäußerungen und noch viel weniger Zaubertricks, mit denen er die Massen beeindrucken will, sondern sie sind Zeichen, bedeutungsvolle Machtäußerungen, die über sich selbst hinaus auf die tieferen Wirklichkeiten weisen, die mit den Augen des Glaubens wahrgenommen werden könnten. Jesus selbst bezeichnet seine Wunder und seine sonstige Tätigkeit in diesem Evangelium als „Werk“ oder „Werke“ (z.B. 5:36; NIV ‚Wunder’ in 7:21, 10:25).103

Die Verwandlung von Wasser in Wein steht in enger Beziehung zu Kapitel 1. Gleich in den ersten Versen des Evangeliums teilt Johannes uns mit, dass Jesus von Nazareth der Logos ist, der nicht nur am Anfang bei Gott war, sondern der am Anfang Gott war. Er ist der Schöpfer, der alles, was existiert, ins Dasein brachte. Ist es also ein großes Wunder, wenn wir Jesus Wein aus Wasser „erschaffen“ sehen, gerade so, wie Er einst den Kosmos aus dem Chaos erschuf? Erstaunt es uns, dass die Jünger Seine Herrlichkeit in diesem Wunder erblickten, wenn der Apostel Johannes im ersten Kapitel schreibt „Und das Wort wurde Fleisch und lebte unter uns, und wir erblickten Seine Herrlichkeit, die Herrlichkeit des einzigen Gezeugten vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Johannes 1:14)?

Dieses Wunder lehrt uns, wie auch die anderen Zeichen des Johannes-Evangeliums, etwas über die Person unseres Herrn Jesus Christus. Die Absicht ist einfach: Auf dass ihr glaubet, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und dass ihr durch den Glauben ewiges Leben haben möget (Johannes 20:31). Glaubst Du? Es gibt keine wichtigere Entscheidung im Leben als die, was man über Person und Werk Jesu Christi glaubt. Er allein ist Gott, manifestiert in menschlichem Fleisch. Er allein ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt, das allein deine Sünden vergeben kann.

Siebtens: In diesem ersten Wunder unseres Herrn nimmt Jesus etwas nicht so Großartiges und verwandelt es in etwas ganz Wunderbares. Er nimmt das, was Quälerei verursacht, und macht es zu einem Quell großer Freude. Das alttestamentarische Gesetz forderte verschiedene Arten von Waschungen. Sie alle sollten den Israeliten zeigen, wie zutiefst sündig und unrein sie waren, wie untauglich also für die Gegenwart Gottes. Diese Waschungen waren eine Quälerei, und doch mussten die Israeliten sie durchführen, um Gottes Gesetz zu gehorchen. Als die legalistischen Juden immer noch mehr Waschungen hinzufügten, wurde der Judaismus zu einer richtig anstrengenden Religion. Jesus nahm dieses zeremonielle Waschwasser und machte es zu Wein. Jesus nahm, was eine Qual war, und machte es zu einem Vergnügen. Jesus nahm, was die Juden als ungeeignet zum Trinken empfunden hätten, und Er machte daraus den besten Wein, der je einem Menschen über die Lippen gegangen ist.

Was für ein Bild der Überlegenheit des Neuen Bundes über den Alten, der Gnade über das Gesetz. Weil Er das Gesetz vollkommen erfüllte und allen seinen Forderungen gerecht wurde, war unser Herr als Einziger qualifiziert dafür, am Kreuz von Golgatha für die Sünder zu sterben. Die Erlösung, die Er durch Sein Opfer am Kreuz von Golgatha herbeiführte, ermöglicht es den Menschen, die Quälerei hinter sich zu lassen und in das Glück Seiner Erlösung einzutreten.

Unser Herr ist in der Lage, das zu nehmen, was (zumindest zum Trinken) nicht ganz annehmbar ist, und es zu einem erlesenen Wein zu machen, zu dem besten Wein, den je ein Mensch getrunken hat. Er ist in der Lage, fehlbare Menschen wie Petrus, Jakobus, Johannes, Andreas, Philippus und Nathanael zu nehmen und aus ihnen Apostel zu machen. Er ist in der Lage, das „Schwache und Törichte dieser Welt“Menschen wie dich und mich – zu nehmen und uns so zu verwandeln, dass die Menschen Gottes Gnade und Macht bewundern. Was für ein wunderbarer Erlöser!

Achtens: Jesus erzeugt bei diesem Wunder nicht nur etwas Schönes und Gesegnetes, sondern Er tut das auch noch reichlich. Der Wein, den Jesus erschuf, war der beste überhaupt, aber Er erschuf nicht nur eine kleine Menge davon. Er machte viel mehr als gebraucht wurde. Können Sie sich die Freude dieses vielleicht armen Brautpaares vorstellen, als sie jetzt an die 400 Liter des allerbesten Weines übrig hatten? Als Jesus die Fünftausend (Matthäus 14:13-21) und dann noch einmal die Viertausend (Matthäus 15:32-39) speiste, war nachher jeweils noch eine Menge übrig (14:20, 15:37). Gottes Segnungen sind stets reichlich. „Gebt, und euch wird gegeben werden: ein gutes Maß, vollgedrückt, zusammengerüttelt und überfließend, wird euch in den Schoß gelegt werden. Denn mit demselben Maß, das ihr benutzt, wird euch wiederum gemessen werden“ (Lukas 6:38).

Gottes hat für Seine Kinder Güte und Gnade in Hülle und Fülle; sie sind ohne Maß. Was für ein wunderbarer Erlöser!

Heal then these waters, Lord; or bring thy flock, / since these are troubled, to the springing rock.
Look down, great Master of the Feasts! O shine, / and turn once more our water into wine!

[Heile also dieses Wasser, Herr; oder bringe deine Herde, / die so geplagt ist, zu der Felsenquelle.
Schau herab, großer Festmeister! O, leuchte / und verwandle noch einmal unser Wasser in Wein!]

Henry Vaughan (1622-1695), “RELIGION”104


89 In der ganzen Bibel wird Kana nirgendwo als im Johannes-Evangelium erwähnt (2:1,11, 4:46, 21:2). Es gibt eine Reihe von Theorien über die Lokalisation dieses Ortes, aber niemand kann mit Sicherheit sagen, wo er gelegen war. In Kapitel 21:2 werden wir erfahren, dass Nathanael aus Kana war; also kannte er wahrscheinlich das Paar, das hier heiratet.

90 Maria wird im Johannes-Evangelium nie „Maria“ genannt, sondern nur – wie hier in unserem Text – als die Mutter Jesu bezeichnet.

91 Leon Morris, The Gospel According to John [Das Evangelium nach Johannes], (Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans Publishing Co., 1971), S. 178-179.

92 „Wenn die Vorräte ausgingen, wäre das in einer Kultur der Schande eine furchtbare Beschämung; es gibt sogar Hinweise darauf, dass so etwas den Bräutigam rechtlich angreifbar machte, wenn die gekränkte Familie der Braut einen Rechtsstreit anstrengte.“ D.A. Carson, The Gospel According to John [Das Evangelium nach Johannes], (Grand Rapids: William B. Eerdmans Publishing Company, 1991), S. 169. Morris führt das sogar noch detaillierter aus. Leon Morris, The Gospel According to John [Das Evangelium nach Johannes], S. 177, siehe auch Fußnote 7.

93 Calvin schreibt: Man darf bezweifeln, dass sie irgendetwas von ihrem Sohn erwartete oder erbat, da er bisher noch keinerlei Wunder vollbracht hatte; und es ist gut möglich, dass sie ihn, ohne irgendeine Lösung dieser Art zu erwarten, anwies, einige fromme Ermahnungen zu geben, die den Gästen das unbehagliche Gefühl nehmen und den Bräutigam von der Schande befreien würden.“ Johann Calvin, Calvin’s Commentaries [Calvins biblische Kommentare], Band 7: The Gospels [Die Evangelien](Grand Rapids: Associated Publishers and Authors Inc., n.d.), S. 622. Für mich ist Calvins Erläuterung schwer einzusehen. Es scheint doch naheliegender zu sein, dass Maria hoffte, Jesus würde irgendetwas unternehmen, wenn sie auch nicht wusste, was das wohl sein könnte.

94 Die zynischen Halbbrüder Jesu schlagen das in Johannes 7:1-5 vor; also wäre es nicht überraschend, wenn Maria es schon vorher – ernst gemeint – zur Sprache bringen würde.

95 Wörtlich fragte Jesus: „Was mit Mir und mit dir, Frau?“ Die verschiedenen Übersetzungen geben diesen Ausdruck mit etwas unterschiedlichen Nuancen wieder: „Frau, was habe ich mit dir zu schaffen?“ (KJV), „Gute Frau, warum sprichst du mich deswegen an?“ (NIV), „Frau, was hat das mit uns beiden zu tun?“ (NAB), „Frau, was betrifft das dich und mich?“ (NRS).

96 Morris schreibt: „Manche römisch-katholischen Wissenschaftler sehen es so, dass Maria hier um ein Wunder bittet. Beispielsweise versteht J. Cortes die Worte Jesu in der Bedeutung: ‚Was hat sich zwischen uns verändert? Warum zögerst du, mich um ein Wunder zu bitten? Die Stunde meiner Passion, da du mich nicht mehr um Wunder bitten können wirst und ich keine mehr tun werde, ist noch nicht gekommen. Du bist immer meine Mutter und ich bin dein Sohn. Daher werde ich deiner Bitte gerne nachkommen’ (New Testament Abstracts, III, 1958-1959, S. 247). Die Schwierigkeit bei dieser Sichtweise liegt darin, dass es eine Veränderung gab. Jesus hatte niemals zuvor ein Wunder vollbracht (Vers 11), und so könnte Maria sehr wohl zögern, ihn um eines zu bitten.“ Morris, S. 180-181, Fußnote 20.

97 Jesus spricht an mehreren Stellen im Johannes-Evangelium von „Seiner Zeit“. In Kapitel 7 steht das jüdische Laubhüttenfest bevor, und die Brüder unseres Herrn drängen Ihn, mit Seinen Jüngern hinauf nach Jerusalem zu gehen und „sich der Welt zu zeigen“, Wunder zu vollbringen, damit Er als Der erkannt würde, der Er war. Sie sagten das nicht im Ernst, sondern meinten es ironisch, denn sie glaubten noch nicht an Ihn (7:1-5). Jesus lehnte es ab, mit ihnen hinauf nach Judäa zu gehen, weil Er dazu noch nicht bereit war, und Er hielt sie an, ohne Ihn zu gehen. Später ging Er dann heimlich zum Fest, weil Er keine Aufmerksamkeit erregen, sondern sie vielmehr vermeiden wollte (7:6-13). Weiter hinten in diesem Kapitel erfahren wir, dass die Juden Jesus ergreifen wollten, aber nicht dazu in der Lage waren, weil „Seine Zeit“ noch nicht gekommen war (Vers 30). Etwas Ähnliches geschieht in Kapitel 8, Vers 20. Bei anderen Gelegenheiten sprach Jesus davon, dass „Seine Zeit“ gekommen sei (12:23,27, 13:1, 16:32, 17:1).

98 Morris (S. 181) sagt, dass Jesus damit meint: „Es ist noch nicht Zeit für Mich zu handeln.“

99 Leider benutzen viele diesen Text primär, um ihren Standpunkt über das Trinken oder Nicht-Trinken alkoholischer Getränke zu untermauern; und dabei verfehlen sie den eigentlichen Kern der Geschichte. Man muss sich schon sehr anstrengen, um zu der Meinung zu gelangen, dass dieser „Wein“ nur Traubensaft war. Allerdings war der „Wein“ jener Tage wahrscheinlich schon etwas anderes als unser heutiger Wein. Die Bibel verbietet das Trinken alkoholischer Getränke nicht generell, aber sie verurteilt das Trinken „starker Getränke“ und die Trunkenheit (Sprüche 20:1; Jesaja 5:11,22, 28:1,7, 56:12; Epheser 5:18). Man sollte bedenken, dass Johannes der Täufer kritisiert wurde, weil er Abstinenzler war, und Jesus als „Trinker“ verunglimpft wurde, weil er keiner war (Lukas 7:33-34). Über den Alkoholmissbrauch heutzutage wie auch in früheren Zeiten lässt sich sicher vieles sagen; aber es geht zu weit, wenn man sagt, dass Alkohol generell verurteilt wird, oder wenn man zu behaupten versucht, dass der Wein, den unser Herr schuf, ganz und gar alkoholfrei war.

100 Ich sollte besser noch ein Caveat anfügen: Gott sorgt zwar für die Kleinigkeiten, die uns Schwierigkeiten bereiten, aber Er ist nicht erfreut über unsere eitlen, egoistischen Anliegen. Jakobus sagt uns, dass unsere Gebete unter Umständen nicht erhört werden, wenn sie selbstsüchtig sind - Jakobus 4:3. Viele unserer Gebete sind selbstsüchtig, und dann kann es geschehen, dass Gott nicht darauf antwortet.

101 Morris zitiert Richardson mit seiner Zusammenfassung dessen, was ‚Herrlichkeit’ in unserem Text bedeutet: „Richardson weist darauf hin, dass Johannes ‚keine Episode der Verklärung aufzeichnet, wie es die drei Synoptiker tun; er betrachtet das gesamte inkarnierte Leben Christi als Verkörperung der [Herrlichkeit] Gottes, wenngleich diese Herrlichkeit nur glaubenden Jüngern und nicht ‚der Welt’ offenbart wird’“ (An Introduction to the Theology of the New Testament [Einführung in die Theologie des Neuen Testaments], London, 1958, S. 65), wie bei Morris, S. 186, Fn. 38, zitiert.

102 Satan dachte ebenfalls in solchen Kategorien, wie wir aus Lukas 4:9-11 ersehen können.

103 Carson, S. 175.

104 Dieses Zitat fand ich auf einer der Vorsatzseiten von Michael Hortons Buch “In the Face of God: The Dangers & Delights of Spiritual Intimacy” [Im Angesicht Gottes: Die Freuden und Gefahren geistlicher Vertrautheit], (Dallas: Word Publishing, 1996).

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